Neue Investitionsabkommen als Entwicklungschance?

Lokale News, 20.06.2018

Private Investitionen sind wichtig für die Finanzierung der Agenda 2030 über die nachhaltigen Entwicklungsziele. Ob sie auch zu deren Umsetzung beitragen, hängt allerdings entscheidend von der Art der Investitionen und den Reformen der Investitionsschutzabkommen ab. Reformen sind in Gang, wohin sie führen ist noch offen. Das hat eine prominent besetzte "Traverse"-Diskussion gezeigt.

Frachtschiff auf dem Meer.
Private Investitionen sind eine wesentliche Finanzierungsquelle für die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. © Fotolia.com/Ralf Gosch

Was für den US-Politologen Francis Fukuyama das "Ende der Geschichte" markierte,  nutzten die reichen Länder als Neubeginn für die Absicherung ihrer Investitionen in armen Ländern. Sie schlossen zahlreiche Abkommen für deren Schutz. Die UNO-Konferenz für Handel und Entwicklung UNCTAD führt genau Buch. Elisabeth Tuerk, Leiterin der Sektion Internationale Investitionsabkommen, gab an der "Traverse" der DEZA Einblick in das Zahlenwerk: Zwischen 1994 und 2001 wurden jährlich zwischen 150 und mehr als 200 solche Abkommen registriert. Bis 2017 summierten sie sich auf 3‘326.

Diese Abkommen enthalten Klauseln für Streitbeilegungsverfahren zwischen Investor und Staat – eine Besonderheit im Völkerrecht. Die Investoren können unter Umgehung innerstaatlicher Rechtswege Staaten bei privaten Gerichten einklagen. Und sie haben es rege getan. Für die Periode 1987 bis 2017 zählt die UNCTAD 855 Streitfälle. Geklagt wurde meist gegen Entwicklungsländer. Die Kläger stammten vor allem aus den USA, den Niederlanden, Grossbritannien und Deutschland.

Sehr aktive Schweiz

Die Schweiz ist äusserst aktiv bei der Absicherung von Direktinvestitionen. Als kleines Land, das mit Investitionen im Umfang von 1,2 Milliarden Franken weltweit an siebter Position rangiert, sei sie besonders daran interessiert, betonte Lukas Siegenthaler, Leiter der Abteilung Internationale Investitionen und Multinationale Unternehmen beim Staatssekretariat für Wirtschaft SECO. Mit 123 Abkommen hat sie nach China und Deutschland am drittmeisten abgeschlossen. 

Solche Abkommen sollen investitionsfördernd wirken. So die gängige Vorstellung. Die nicht-staatlichen Streitbeilegungsverfahren würden die geschäftlichen Risiken reduzieren und die Schwächen gerichtlicher Instanzen in armen Ländern kompensieren. Das tönt plausibel. Joachim Pohl, Autor einer OECD-Studie über gesellschaftliche Vorteile und Kosten internationaler Investitionsabkommen, gesteht  allerdings: Wir wüssten nur, dass wir nicht wissen, ob die Abkommen Investitionen fördern.   

Bekannt sind aber zahlreiche Konflikte. Lange Zeit verliefen sie nur nach dem Muster Norden gegen Süden. Das änderte sich in jüngster Zeit. Spanien wurde mehrfach verklagt. Im Gefolge des Atomausstiegs traf es Deutschland. Der schwedische Energiekonzern Vattenfall erachtet sich deshalb als geschädigt an. Der Fall machte nicht nur Schlagzeilen. Er mobilisierte die Massen gegen die Verhandlungen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) zwischen den USA und der EU und machte, wie Anne Joubin-Bret von der UNO-Kommission für internationales Handelsrecht UNCITRAL meinte, viele Leute zu eigentlichen Expertinnen für Investitionsfragen.

Proteste häuften sich auch in armen Ländern. Beispielsweise in Ecuador, wo sich die Anwohner in Naturschutzgebieten gegen ausländische Bergbau-Investoren zur Wehr setzten. Lise Johnson von der Columbia University beleuchtete die Grundfragen, die sich Gerichten bei solchen Konflikten zwischen Investoren und ansässigen Bevölkerungen stellen. Wie weit gehen die Schutzansprüche der Investoren, wo stossen sie an ihre Grenzen. Wenn sie Gewalt gegen Protestierende einsetzen, einsetzen lassen oder die Bevölkerungen auch nur einschüchtern. Bei Investitionen, die der nachhaltigen Entwicklung dienen sollen, müssen solche Fragen geklärt werden.

Reformbedarf anerkannt

Doch was braucht es, damit Investitionen zur Verwirklichung der UNO-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung beitragen? Weitgehend einig ist man sich neuerdings, dass es dafür der Reformen bedarf. Nicolas Grégoire von der SGS Société Générale de Surveillance betonte, dass die Existenz von Investitionsschutzabkommen kein Faktor für Investitionsentscheide seiner Firma sei, und diese das Streitbeilegungsverfahren nur sehr selten, in allerletzter Instanz brauchen würde. Weiter äusserte er den Verdacht, dass die Unzufriedenheit mit den heutigen Regeln zuweilen antikapitalistisch motiviert sei. Doch der Reformzug ist in Gang. Manche Entwicklungsländer haben alte Abkommen gekündigt. Die UNCTAD hat 2012 eine Reformagenda formuliert und seither weiterentwickelt. Sie enthält das Recht auf Regulierung in den Bereichen Umwelt, Gesundheit oder Menschenrechten, tritt für die Förderung verantwortungsvoller Investitionen ein und fordert die Reform der Streitbeilegung. Dazu kommen die von UNCITRAL beschlossenen Transparenzregeln. In dieser UNO-Organisation wird nun über die Schaffung eines multilateralen Investitionsgerichts diskutiert, das dereinst die wenig transparenten bilateralen Schiedsgerichte ablösen könnte.

Es seien beträchtliche Fortschritte erzielt worden, würdigte Nathalie Bernasconi vom Institute for Sustainable Development IISD die Veränderungen der letzten Jahre. Als das Institut vor Jahren erste Reformvorschläge unterbreitet hatte, habe es noch kein Gehör gefunden. Damit Investitionen eine wirklich nachhaltige Entwicklung fördern, brauche es aber noch mehr. Insbesondere ein gemeinsames Verständnis, wie die Nachhaltigkeit gemessen und überprüft werden könne. Auch sollte den Opfern von negativen Investitionspraktiken der Zugang zu Gerichtsklagen erleichtert werden.

Die Reformdebatte ist in Gang, wie weit sie führt, ist offen.