Sicherheit für alle und Rechtsstaatlichkeit sind unerlässliche Voraussetzungen für die Entwicklung

Artikel, 26.05.2015

Angesichts der weltweit zunehmenden Krisen hat die DEZA ihr Engagement in fragilen Kontexten und konfliktbetroffenen Ländern zu einem Schwerpunkt gemacht. Tour d'horizon mit Markus Heiniger, Experte „Konflikt und Menschenrechte“ der DEZA, anlässlich eines internationalen Treffens in Abidjan, Elfenbeinküste, am 25. Mai 2015.

Ein Polizist schüttelt einem Gefangenen die Hand.
In Honduras unterstützt die DEZA eine Reform der nationalen Polizei mit dem Ziel, die Korruption zu senken und die Wahrung der Menschenrechte zu verbessern. © DEZA

Ebola-Epidemie, Krieg in Syrien und im Irak, die tragischen Schicksale der Flüchtlinge im Mittelmeer, tödliches Erdbeben in Nepal: Krisen und die damit verbundene Unsicherheit für Millionen von Menschen stehen im Fokus der Aufmerksamkeit und scheinen nicht enden zu wollen. Die DEZA ist von vielen dieser unsicheren Kontexte direkt betroffen. Die Hälfte der Länder, in denen sie langfristig aktiv ist, sind fragile und zuweilen konfliktbetroffene Staaten, wobei Naturkatastrophen, die spontane humanitäre Hilfseinsätze erfordern, nicht mitgerechnet sind.

Gemäss der Definition der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gilt ein Land als fragil, wenn die Regierung nicht willens oder fähig ist, der Bevölkerung die Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen, die für die Entwicklung, die Sicherheit und die Wahrung der Menschenrechte erforderlich sind. In einem solchen Umfeld tut sich die Bevölkerung schwer, mit den amtierenden Behörden zusammenzuarbeiten.

Konfliktfaktoren reduzieren
Prävention und Bewältigung von Krisensituationen ist eines der strategischen Ziele der DEZA. Sie ist bestrebt, in den fragilen Kontexten den Konflikt- und Instabilitätsfaktoren entgegenzuwirken und diese durch Entwicklungsprojekte vor Ort und einen ständigen politischen Dialog mit den betroffenen Behörden und Zivilgesellschaften zu reduzieren. Ziel ist es, zur Stärkung der staatlichen Strukturen beizutragen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass alle Bürgerinnen und Bürger die gleichen Rechte und Chancen haben. Die DEZA unterstützt die Bemühungen zur Friedensförderung in mehreren Ländern – oft gemeinsam mit der Abteilung Menschliche Sicherheit des EDA.

New Deal
Die Schweiz agiert nicht isoliert. Ihr Handeln ist Teil einer internationalen Initiative, des «New Deal for Engagement in Fragile States», der im Jahr 2011 ausgehandelt und formalisiert wurde. Dieser Aktionsrahmen, der von einer Koalition von Ländern aus Nord und Süd verabschiedet wurde, sieht regelmässige Folgetreffen vor.

Das letzte Treffen fand am 25. Mai 2015 in Abidjan in der Elfenbeinküste unter der Schirmherrschaft der Afrikanischen Entwicklungsbank statt. Der Experte „Konflikt und Menschenrechte“ der DEZA, Markus Heiniger, vertrat die Schweiz an der Seite von Vizedirektorin Elisabeth von Capeller, die Ko-Präsidentin des internationalen Netzwerks „Konflikt und Fragilität“ (INCAF) ist.

Gespräch mit Markus Heiniger

Markus Heiniger, welche Themen waren beim Treffen in Abidjan zentral?
Ziel des Treffens war es, Bilanz über die weltweit erzielten Fortschritte seit dem Abschluss des Abkommens im Jahr 2011 zu ziehen. Die Prioritäten – die Bekämpfung von Fragilität und Gewaltsituationen – haben nichts an Aktualität eingebüsst. Das Treffen bot auch Gelegenheit, die Post-2015 Agenda für eine Nachhaltige Entwicklung zu erörtern und auf die Bedeutung eines spezifischen Ziels für die Errichtung von friedlichen und inklusiven Gesellschaften hinzuweisen. Sicherheit für alle und ein fairer Zugang zur Justiz sind grundlegende Voraussetzungen für die Gewährleistung der Entwicklung in fragilen Kontexten.

Ist es angesichts der weltweit zunehmenden Krisen wirklich möglich, die Instabilität, mit der so viele Staaten und ihre Bevölkerungen konfrontiert sind, zu verringern?
Für uns ist der Rückgang von fragilen Kontexten und Gewaltkonflikten das Ergebnis eines langfristigen Engagements. Die Wiederherstellung des Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger in die Behörden braucht Zeit und erfordert Geduld. Aber am Ende sind die Ergebnisse manchmal sehr ermutigend, wie in Mosambik oder in Nepal. Die beiden Länder haben ihre akute politische Krise überwunden, was sich zweifellos positiv auf ihre Entwicklung und die Armutsreduktion auswirkt.

Nehmen wir den Fall von Nepal, das in letzter Zeit leider wieder in die Schlagzeilen geraten ist. Auf welche Weise hat die DEZA in den vergangenen Jahren der Fragilität des Landes Rechnung getragen?
Die DEZA hat sich vor Ort unter anderem auf den Brücken- und Strassenbau spezialisiert. Während des Bürgerkriegs (1996–2006) und in der nachfolgenden Übergangsphase haben wir immer eine fundierte Analyse der Instabilitätsursachen und der beteiligten Akteure gemacht, bevor wir intervenierten. Es galt, drei grundsätzliche Fragen zu beantworten: Wie sollen die Infrastrukturarbeiten geplant werden? Zu welchem Zweck? Wer plant sie? Es war zentral, die Distriktbehörden und die lokalen Gemeinschaften in die Planungsphase einzubeziehen, um den Bedürfnissen der Bevölkerung bezüglich Markt- und Schulzugang usw. Rechnung zu tragen. Vor allem haben wir immer versucht, die Mitglieder diskriminierter Kasten und die Frauen im Allgemeinen zu fördern.

Wie sah das in der Praxis aus?
Wir haben diesen Bevölkerungsgruppen die Möglichkeit geboten, auf den Baustellen zu arbeiten und einen Tageslohn zu verdienen. Um der Anstellung von Arbeitskräften Vorrang geben zu können, wurde so weit als möglich auf den Einsatz von Bulldozern verzichtet. Mit der Barbezahlung der erbrachten Arbeitsleistung am Ende des Tages gewährleisten wir eine maximale Transparenz beim Lohnmanagement. Der Prozess wurde zudem von Vertreterinnen und Vertretern der lokalen Bevölkerung genau verfolgt. Neben diesen Infrastrukturprojekten hat sich die DEZA zudem auf politischer Ebene für die Friedensförderung und die Schaffung eines Rechtsstaates in Nepal eingesetzt.

Glauben Sie, dass die nepalesische Bevölkerung dank dem Engagement der DEZA besser auf das Erdbeben vom 25. April 2015 und seine Nachbeben vorbereitet war?
Ich bin überzeugt, dass die gemeinsamen Bemühungen der DEZA und der anderen Geber im Land die Kapazität der Nepalesinnen und Nepalesen für den Umgang mit politischen Krisen verbessert haben. Ob das Land die erdbebenbedingte humanitäre Krise heute besser bewältigen kann, als es früher in der Lage gewesen wäre, muss sich noch zeigen. Dies ist ein neuer Test. Fest steht, dass das Engagement der Schweiz in Nepal im Allgemeinen sehr geschätzt wird. Ich bin sicher, dass die von der DEZA entwickelte «konfliktsensitive» Arbeitsmethode auch für die anstehenden Wiederaufbauarbeiten relevant sein wird.

Vielversprechende Ergebnisse

Jede Intervention in fragilen Kontexten oder einer Konfliktsituation ist für die Geldgeber mit einem erhöhten Risiko verbunden. Nichtsdestotrotz sind die Ergebnisse der Projekte der DEZA in den meisten Fällen vielversprechend. Neben dem Engagement in Nepal finanziert die DEZA in der Region der Grossen Seen (Ruanda, Burundi, Demokratische Republik Kongo) ein Programm für die medizinische, rechtliche und psychosoziale Betreuung von Opfern sexueller Gewalt. Seit 2011 haben rund 16'000 Frauen Hilfe erhalten. In Honduras unterstützt die DEZA eine Reform der nationalen Polizei. Dadurch sollen die Korruption gesenkt, die Achtung der Menschenrechte verbessert und den Anliegen der Bevölkerung grössere Beachtung beigemessen werden. Im Jahr 2014 haben 1000 Polizeiangestellte eine ausführliche Weiterbildung zu diesen Themen besucht. In Myanmar erhält die Bevölkerung des Staates Kayin/Karen, einer Konfliktregion im Südosten des Landes, dank einem von der DEZA lancierten Projekt besseren Zugang zu medizinischer Versorgung. Das Besondere an diesem Projekt ist die Absicht, sowohl mit den Regierungsbehörden als auch mit den ethnischen Minderheiten zusammenzuarbeiten. In Afghanistan, wo der Zugang zur Bildung für Kinder und insbesondere für Mädchen einen zentralen Entwicklungsfaktor darstellt, hat die DEZA in den vergangenen Jahren wesentlich zur landesweiten Steigerung der Schulbesuchsquote beigetragen. Während im Jahr 2001 erst eine Million Kinder die Schule besuchten, waren es 2014 bereits neun Millionen, 40 Prozent davon Mädchen.