«Die Medien streben ihre eigene Revolution an»

Artikel, 03.05.2015

Die DEZA engagiert sich für die Stärkung der Medien und einen besseren Zugang zu Informationen. Nur freie Medien erlauben es der Bevölkerung, sich einzubringen. In gewissen Fällen tragen Medien zur friedlichen Lösung von Konflikten bei. In Tunesien, Heimatland der Journalistin Khadija Chouika, arbeitet die DEZA mit der Stiftung Hirondelle zusammen, um lokale Radiostationen zu stärken.

Die tunesische Journalistin Khadija Chouika im Radiostudio.
Die tunesische Journalistin Khadija Chouika beteiligte sich 2014 an dem von der DEZA unterstützten Projekt «En quête d’ailleurs». © Radio Tunis Chaîne Internationale

Unabhängige Medien und der Zugang zu Informationen sind zentral für die Bekämpfung der Armut und die Überwindung von Konflikten. Freie Medien erhöhen die Transparenz und machen es möglich, dass unterschiedliche Perspektiven Gehör finden und mit einer breiten Öffentlichkeit geteilt werden – so zum Beispiel im Vorfeld von Wahlen oder während laufender Gesetzesreformen. In Kontexten von Gewalt und politischer Umwälzung ist der Zugang zu vielfältigen Informationen entscheidend, um eine friedliche Lösung von Konflikten herbeizuführen.

Diese Fragestellungen sind zentral für die DEZA, welche sich langfristig für die Stärkung der Pressefreiheit in Tunesien, Tansania und der Region der Grossen Seen einsetzt. Einerseits engagiert sie sich für Rahmenbedingungen, welche es Journalistinnen und Journalisten ermöglichen, unabhängig und ohne Gefährdung ihre Arbeit zu verrichten. Andererseits unterstützt die DEZA den Aufbau eines professionellen und ethischen Journalismus.

In Tunesien arbeitet die DEZA mit der Stiftung Hirondelle zusammen, um lokale Radios zu stärken. Khadija Chouika ist Journalistin bei «Radio Tunis Chaîne Internationale» (RTCI). Sie berichtet von der «Revolution», welche die tunesische Medienlandschaft zurzeit durchläuft. Die Reporterin beteiligte sich 2014 an dem von der DEZA unterstützten Projekt «En quête d’ailleurs», das 14 Journalistinnen und Journalisten aus der Schweiz und dem Ausland zusammenführte.

Khadija Chouika, wie würden Sie die aktuelle Situation der Medien in Tunesien beschreiben?
Tunesien befindet sich in jeder Hinsicht in einer aussergewöhnlichen Lage. Vier Jahre nach dem Sturz des früheren Präsidenten Ben Ali streben die Medien ihre eigene Revolution an. Die Journalistinnen und Journalisten wollen über bessere Mittel verfügen, um in ihrem Beruf etwas zu bewegen, um ihre Unabhängigkeit zu gewährleisten und sich aus den gängigen Verhaltensmustern der Selbstzensur zu befreien.

Was meinen Sie damit?
Die Menschen in Tunesien mussten sich jahrzehntelang mit verklausulierten und zensurierten Informationen – einer eigentlichen Desinformation – zufriedengeben; dies in einer sowohl quantitativ als auch qualitativ sehr dürftigen Medienlandschaft. Die meisten Medien unter Ben Ali wurden als «Schandmedien» betitelt. Mittlerweile hat eine Lockerung eingesetzt und man wagt es in den Redaktionen wie auf der Strasse endlich, die Dinge beim Namen zu nennen. Es zeigt sich jedoch, dass eine radikale Umstrukturierung notwendig ist, damit die Medien ihre alten Verhaltensmuster ablegen.

Wie müssen sich die Medien verhalten, um den politischen Wandel in Tunesien zu unterstützen?
Neutral und objektiv. Journalistinnen und Journalisten dürfen nicht Partei ergreifen. Sie müssen die ungefälschte Wahrheit sagen. Oberstes Ziel der Presse muss es sein, der Öffentlichkeit die nötigen Informationen zu liefern, damit sie sich zu allen Angelegenheiten, die sie betreffen, eine Meinung bilden kann. Transparente und ausgewogene Informationen sind die Grundvoraussetzung, damit die Öffentlichkeit Entscheidungen treffen und ihr Umfeld mitgestalten kann. Ich sehe eine einzige Einschränkung des Informationsrechts: die Pflicht zur Zurückhaltung von uns Medienschaffenden, wenn es um Sicherheitsfragen im Zusammenhang mit dem Terrorismus geht.

Die DEZA unterstützt über die Stiftung Hirondelle ein Programm zur Stärkung der öffentlich-rechtlichen Radiosender in Tunesien. Stellen Sie positive Auswirkungen fest?
Ja. Im Rahmen des Projekts sind aus mehreren Regionalsendern professionelle Informationskanäle geworden. Durch die Unterstützung der DEZA konnten die Entwicklung neuer Sendegefässe finanziert und die Radioschaffenden im Bereich Inhaltsmanagement weitergebildet werden. Dies fördert einen investigativen Journalismus nach den geltenden journalistischen und berufsethischen Standards.

Ein letztes Wort vielleicht zum journalistischen Austauschprojekt «En quête d’ailleurs», an dem Sie 2014 teilgenommen haben. Was hat es Ihnen persönlich gebracht?
Es war beruflich und persönlich eine echte Bereicherung. Das Projekt gab mir die Möglichkeit, mich mit Journalistinnen und Journalisten aus acht verschiedenen Ländern, darunter der Schweiz, auszutauschen. Unter dem Titel «L'équation migratoire» (die Migrationsgleichung) setzten wir uns mit einem für uns alle aktuellen und spannenden Thema auseinander. Besonders geschätzt habe ich den Einblick in ein anderes Arbeitsumfeld. In meinem Fall bildete ich zusammen mit einem Schweizer Journalisten der RTS ein Duo. Er verbrachte zwei Wochen in Tunesien, nachdem ich zuvor eine Woche in der Schweiz an seiner Seite gearbeitet hatte.

Medien als erfolgreiche Unternehmen

Die Handlungsfreiheit von Journalistinnen und Journalisten hängt nicht allein vom politischen Umfeld ab, in welchem sie tätig sind. Die Medien, die sie beschäftigen, müssen auch wirtschaftlich tragfähig sein. Neben spezifischen Projekten zur beruflichen Weiterbildung engagiert sich die DEZA deshalb generell für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Journalistinnen und Journalisten weltweit. Die Stiftung Hirondelle ist ein wichtiger Partner der DEZA bei der Umsetzung von Projekten zur Stärkung der Medien in Afrika. In der Region der Grossen Seen (Burundi, Ruanda, Demokratische Republik Kongo) arbeitet die DEZA zudem mit dem Panos-Institute zusammen, um sechzehn Medienpartner zu unterstützen und die Bereitstellung eines diversifizierten Informationsangebots zu fördern. In Tansania unterstützt die DEZA einen Fonds zugunsten von Medien, welche die Produktion investigativer Reportagen subventionieren. Ausserdem unterstützt sie den tansanischen Presserat bei der Wahrnehmung der Interessen der Medienschaffenden. Ebenfalls in Tansania beteiligt sich die DEZA seit 2014 an der Finanzierung von rund einem Dutzend Landradiosendern, damit diese ihren Informationsauftrag erfüllen können.

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