Die Ursachen des Extremismus angehen, um Gewalt zu verhindern

Artikel, 07.04.2016

Die Schweiz ist auf mehreren Ebenen aktiv, um gewalttätigem Extremismus vorzubeugen. Ihre Kooperationsprojekte haben zum Ziel, die Institutionen zu stärken und Frieden und Entwicklung für alle zu fördern. Neben Ausbildungsangeboten, insbesondere für Jugendliche, braucht es tiefgreifende Reformen zur Verringerung von Ungleichheiten und Ausgrenzung, zwei besonders starke Katalysatoren von Gewalt.

Foto von Stefan, 24 Jahre, vor einer Mauer voller Graffitis
Die berufliche Eingliederung von Jugendlichen ist der Schlüssel, der es ihnen ermöglicht, sich persönlich zu entfalten. Stefan, ein 24-jähriger Bosnier, war stolz, als er 2015 eine Stelle als Lehrer für bildende Kunst in einer sozialpädagogischen Institution fand. © Vanja Cerimagic

Die Aktivitäten der internationalen Zusammenarbeit gehören zu den wichtigsten Instrumenten der Schweiz zur Bekämpfung des gewalttätigen Extremismus. Die von der DEZA und der Abteilung Menschliche Sicherheit des EDA (AMS) umgesetzten Projekte in verschiedenen Partnerländern verfolgen alle das gleiche Ideal: Sie sollen zur Stärkung der Institutionen und zur Schaffung eines dauerhaften Friedens beitragen, der sowohl Voraussetzung als auch Konsequenz einer Entwicklung für alle ist.

In der Praxis setzt die Verhütung von gewalttätigem Extremismus auf zwei Interventionsebenen an. Die erste Ebene beinhaltet Projekte, die auf die Reduktion spezifischer Risikofaktoren für Gewalt wie Jugendarbeitslosigkeit, politische Spannungen oder auch Aggressivität, welche durch die engen Verhältnisse in Flüchtlingslagern hervorgerufen werden kann, ausgerichtet sind.

  • Im Flüchtlingslager von Bentiu (Südsudan) z.B. unterstützt die DEZA die Arbeit der NGO Nonviolent Peaceforce, die Sensibilisierungsmassnahmen zur Verhütung von Konflikten und Gewalt gegen Frauen durchführt. Die Schweiz beteiligt sich zudem konkret an den Anstrengungen der UNICEF zur Demobilisierung von Kindersoldaten.
    Film: Schutz der Bevölkerung im Südsudan

  • Im Bereich der Konfliktbeilegung unterstützt die AMS auf den Philippinen die nationalen Behörden und die islamische Befreiungsfront (Moro Islamic Liberation Front, MILF) bei der Umsetzung eines im März 2014 unterzeichneten Friedensabkommens. Auf Ersuchen der beiden vormaligen Konfliktparteien amtiert die Sondergesandte der Schweiz für Vergangenheitsarbeit als Präsidentin der auf den Philippinen eingesetzten Kommission für Transitionsjustiz und Aussöhnung.

  • Die DEZA dehnt zudem ihr Engagement im Bereich der Grund- und Berufsbildung weltweit aus – im Wissen darum, dass der Mangel an Perspektiven für die Jugend eine grosse Belastung  darstellt. Die Bildungsangebote richten sich in erster Linie an die bedürftigsten Menschen: Nomaden, ethnische Minderheiten, Flüchtlinge und Vertriebene, Analphabeten sowie Jugendliche in entlegenen Gebieten, z.B.  im Niger.
    Projekt: Bessere Ausbildung erleichtert die berufliche Eingliederung von Jugendlichen im ländlichen Raum

Seit 2012 hat die Schweiz Berufsbildungsprogramme für über 300'000 Personen – mehrheitlich junge Menschen – durchgeführt. Wie in einem Workshop der DEZA im Vorfeld der Konferenz zur Verhütung von gewalttätigem Extremismus in Erinnerung gerufen wurde, können Berufsbildungsprogramme allein das Problem nicht aus der Welt schaffen. Schlimmer noch: Führt eine Ausbildung nicht zu einer Erwerbstätigkeit und besseren Einkommensmöglichkeiten, kann dies Frustrationen und damit das Risiko einer Radikalisierung erhöhen.

Es bedarf daher grosser Anstrengungen, um die Integration der Jugendlichen in den Arbeitsmarkt zu sichern. Dazu gehört, dass günstige Rahmenbedingungen für Unternehmensgründungen und – noch grundlegender – ein durch Rechtsstaatlichkeit geprägtes Umfeld geschaffen werden, das Chancengleichheit beim Zugang zu Beschäftigung garantiert. Gleichzeitig müssen Mechanismen zur Umverteilung des Reichtums eingerichtet werden, um die Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern. Denn es ist bekannt, dass ein Gefühl der Ungerechtigkeit, der Ausgrenzung oder der Verletzung von Grundrechten ein  Auslöser für Gewalttaten sein kann.

Ein Langzeitengagement

Diese sogenannten tieferen Ursachen von Gewalt bilden die zweite Interventionsebene. Sie erfordern zwingend ein längerfristiges Engagement und grosse Entschlossenheit, weil dabei häufig diskriminierende Praktiken in Frage gestellt werden, die in der Gesellschaft tief verwurzelt sind. Angestrebt wird damit auch eine Stabilisierung der fragilen Kontexte, in denen sich die internationale Zusammenarbeit der Schweiz in zunehmendem Mass engagiert.

Der in Genf vorgestellte Aktionsplan der Schweiz zur Verhütung von gewalttätigem Extremismus bekräftigt die wichtige Rolle der Frauen und Jugendlichen in diesem Zusammenhang. Diese beiden Bevölkerungsgruppen nehmen in den von der DEZA und der AMS unterstützten Projekten bereits jetzt eine besondere Stellung ein.

  • So fördert die DEZA in Afghanistan die Einstellung von Polizistinnen bei der Nationalen Polizei (bis heute über 2600 Polizistinnen). Die Feminisierung der Ordnungskräfte ist eine von vielen Massnahmen eines umfassenden Programms der nationalen Behörden zur Reform der Polizeikräfte. Die von verschiedenen Gebern unterstützten Reformen sollen die Qualität der Polizei und ihren Ruf bei der Bevölkerung verbessern.
    Projekt: Mit Polizistinnen die Straflosigkeit bekämpfen

  • Dank einem Netzwerk von 25 «Job Clubs» haben in Bosnien und Herzegowina seit 2009 über 4000 Jugendliche Arbeit gefunden. Das von der DEZA getragene Projekt soll gleichzeitig  die Effizienz der staatlichen Arbeitsvermittlungsstellen verbessern.
    Projekt: Bessere Arbeitsmarktintegration durch Stärkung der staatlichen Arbeitsvermittlungsstellen

  • In Tunesien finanziert die AMS seit Ende letzten Jahres ein neues Projekt für junge Bewohnerinnen und Bewohner von zwei benachteiligten Vororten der Hauptstadt Tunis. Die Idee ist, die jungen Frauen und Männer in den Aufbau von Kleinunternehmen im Sozialbereich und einen fortwährenden Dialog mit den Behörden einzubeziehen, um ihnen eine Chance zu geben, persönlich zur Entwicklung ihrer Quartiere beizutragen.

Die Herausforderungen der internationalen Zusammenarbeit sind immer enger miteinander verwoben. Armut, Menschenrechtsverletzungen, Diskriminierungen und schwache oder korrupte staatliche Institutionen bilden einen Nährboden für gewalttätigen Extremismus. Und dieser zerstört jede Aussicht auf eine nachhaltige Entwicklung. Die internationale Zusammenarbeit der Schweiz setzt bei den Wurzeln der Konflikte an, um zu einer wohlhabenderen und sichereren Welt – hier und anderswo – beizutragen.