«Veränderungen müssen in den Geber- wie in den Empfängerländern stattfinden»

Artikel, 14.04.2014

Die Geberstaaten der internationalen Entwicklungszusammenarbeit wollen die Wirksamkeit ihrer Hilfe verbessern. Dazu treffen sich Vertreter dieser Staaten vom 15.–16.4.2014 in Mexiko zur ersten Konferenz der neuen Globalen Partnerschaft für eine wirksame Entwicklungszusammenarbeit («High Level Meeting of the Global Partnership for Effective Development Cooperation»). DEZA-Direktor Martin Dahinden leitet die Schweizer Delegation in Mexiko. Im Interview erklärt er, worum es beim Treffen geht und welche Veränderungen in den letzten Jahren in der internationalen und schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit stattgefunden haben.

Herr Dahinden, Sie leiten die Schweizer Delegation am ersten Ministertreffen der neuen globalen Partnerschaft für wirksame Entwicklungszusammenarbeit in Mexiko. Worum geht es bei dieser Konferenz?

In Mexiko treffen sich Menschen aus verschiedenen Ländern, die in der Entwicklungszusammenarbeit tätig sind – zum Beispiel Vertreterinnen und Vertreter von Regierungsorganisationen, der Zivilgesellschaft, Geschäftsleute oder Parlamentsmitglieder.

Verschiedene Themen kommen zur Sprache, zum Beispiel die Frage, wie die internationale Entwicklungszusammenarbeit in den nächsten Jahren aussehen soll und wer sich wie daran beteiligt.

Ein weiteres Thema ist die Finanzierung. In der Gebergemeinschaft besteht Einigkeit darüber, dass sich auch Entwicklungsländer mit dem Thema Finanzierung befassen, selber Geldmittel erzeugen und damit einen Beitrag zur Entwicklung ihres Landes leisten sollen.

Dann geht es um die Fortschritte seit der Konferenz in Busan in Südkorea von 2011. An diesem internationalen Forum hat auch die Schweiz teilgenommen und mit über 160 Ländern das Dokument «Busan Partnership for Effective Development Co-operation» beschlossen, ein politisch verbindliches Dokument. Ein wichtiger Punkt ist, dass auch Schwellenländer, globale Fonds, Stiftungen und Organisationen der Zivilgesellschaft Mitglieder der neuen globalen Partnerschaft für wirksame Entwicklungszusammenarbeit sind.

Vermögen solche Diskussionen die Entwicklungszusammenarbeit wirklich zu verbessern?

Ja, denn sie verändern Ansichten und Vorgehensweisen in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Heute wissen wir zum Beispiel, dass Änderungen an einem Ort der Welt andere Orte beeinflussen. Ich denke an Klimaveränderungen oder an die Migration, die mit ihren Bewegungen den ganzen Globus abdeckt. Solche Erkenntnisse müssen in die Internationale Entwicklungszusammenarbeit einbezogen werden.

Es herrscht Einigkeit bei den Geberländern, dass es nicht nur darum geht, in armen Ländern Veränderungen herbeizuführen, sondern auch eigene Verhaltensweisen zu hinterfragen und zu ändern. Ein Beispiel dafür sind Subventionen. Diese können zu Ungleichgewichten führen und es zum Beispiel armen Ländern verunmöglichen, ihre eigenen Produkte zu verkaufen. Ein weiterer Punkt ist die Ernährungssicherheit. Bei uns werden 50% der Lebensmittel weggeworfen. Da stellt sich die Frage, ob es richtig ist, die Produktion im Süden zu steigern oder ob nicht auch bei uns Änderungen stattfinden müssen.

Die Schweiz arbeitet mit ihren Partnerländern weiter daran, die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit zu erhöhen. Ihr oberstes Ziel ist es, die weltweite Armut zu reduzieren. Das entspricht dem ersten Ziel der UNO-Milleniumserklärung von 2001. Gleichzeitig engagiert sie sich in sogenannten fragilen Staaten, die schwache oder instabile Institutionen und Strukturen haben und deren Bevölkerung unter Armut, Gewalt, Korruption und politischer Willkür leidet.

Weshalb ist es für die Schweiz wichtig, am Ministertreffen in Mexiko teilzunehmen? Welche Ziele verfolgt die Schweiz konkret?

Die Konferenz in Mexiko gehört zu den zwei wichtigsten diesjährigen Treffen zu Fragen der Entwicklungszusammenarbeit. Dies neben der 69. Generalversammlung der UNO im September 2014 in New York. Die Schweiz spielt eine wichtige Rolle in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Es ist notwendig, dass sie ihre Überzeugungen einem internationalen Publikum präsentieren kann. Sonst bleibt die Wirksamkeit beschränkt. Eine grössere Wirksamkeit bedeutet unter anderem, sich mit den Partnerländern und mit internationalen Organisationen auf Ziele zu einigen. Das kann die Schweiz in Mexiko tun und deshalb ist es wichtig, dass sie an dieser Konferenz teilnimmt.

Für die Schweiz ist es wichtig, sich in Ländern mit Konflikten und prekären Situationen zu engagieren. In diesen Ländern wurden in den letzten 15 Jahren bei der Armutsbekämpfung kaum Fortschritte erzielt. Die Schweiz verstärkt ihre Arbeit in diesem Bereich und setzt diesen Fokus auch in ihren Programmen.

2011 haben Sie die Schweizer Delegation am 4. Weltforum zur Entwicklungszusammenarbeit in Busan in Südkorea geleitet. Welche Fortschritte wurden seither erzielt? Hat sich die schweizerische Entwicklungszusammenarbeit verändert?

Es hat sich sehr vieles verändert. Ein wichtiger Punkt ist, dass Schwellenländer wie Brasilien, Mexiko, Chile, Südkorea oder Südafrika verstärkt Verantwortung übernehmen und ihre eigene Entwicklungszusammenarbeit aufbauen. Lange Zeit waren die Schwellenländer in der Entwicklungszusammenarbeit nicht präsent.

Die Schweiz hat mit den neuen Geberstaaten Kontakt und bezieht sie in ihre Entwicklungszusammenarbeit ein. Als Beispiel kann ich das Abkommen zwischen der Schweiz und Mexiko zur Trilateralen Zusammenarbeit nennen. Dieses wurde am 25.10.2013 in Montreux unterzeichnet und besiegelt die Absicht der Schweiz und Mexikos, zusammen mit Drittstaaten in Lateinamerika Entwicklungsprojekte zu realisieren.

Wichtige Abkommen für mehr Wirksamkeit:
Mehr Verantwortung für Empfängerländer, bessere Koordination der Hilfe
Die Geberländer wollen die Entwicklungszusammenarbeit effizienter gestalten und damit die Wirksamkeit erhöhen. Sie stützen sich auf diese Vereinbarungen:

  • Erklärung von Rom («Rome Declaration», 2003)
    In der Erklärung von Rom verpflichteten sich die Teilnehmer der entsprechenden Konferenz von 2003, ihre Entwicklungszusammenarbeit an die Strukturen, Institutionen und Strategien der Entwicklungsländer anzupassen. Gleichzeitig wurde vereinbart, die Entwicklungszusammenarbeit der einzelnen Länder besser aufeinander abzustimmen.
    Erklärung von Rom, 2003 (en)
  • Erklärung von Paris («Paris Declaration on Aid Effectiveness», 2005)
    In der Erklärung von Paris wurde ein stärkeres Gewicht auf die Eigenverantwortung der Empfängerländer gelegt – sie wurden verpflichtet, ihre eigenen Strategien zur Armutsbekämpfung zu formulieren und die Führung der Aussenhilfe zu übernehmen. Die Geber sollen die Systeme der Länder nutzen, zum Beispiel bei der Finanzierung und Beschaffung. Geber- und Empfängerländer sind aufgefordert, ihre Interventionen aufeinander abzustimmen. Die Erklärung wurde von der OECD, ihren Mitgliedstaaten, inter­nationalen Finanzinstitutionen wie der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds, regionalen Entwicklungsbanken und Partnerländern in Paris beschlossen.
    Erklärung von Paris, 2005 (en)
  • Aktionsprogramm von Accra («Accra Agenda for Action», 2008)
    Das Aktionsprogramm von Accra hält unter anderem fest, dass die Geberländer 3–5 Jahre im Voraus über ihre Entwicklungspläne informieren sollen. Für die Verteilung der Hilfe sollen lokale Institutionen und Strukturen genutzt werden. Mit dem Aktionsprogramm wurde der Eigenverantwortung der Empfängerländer noch mehr Gewicht gegeben – sie wurden aufgefordert, Ziele und Prioritäten in der Entwicklungspartnerschaft zu setzen.
    Aktionsprogramm von Accra, 2008 (en)
  • Erklärung von Busan («Busan Partnership for Effective Development Co-operation», 2011): Die Abschlusserklärung des vierten hochrangigen Forums zur Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit im südkoreanischen Busan 2011 brachte die neue globale Partnerschaft für Entwicklungszusammenarbeit hervor. Neben den Industriestaaten beteiligen sich neu auch Schwellenländer, globale Fonds und Stiftungen, der Privatsektor und Organisationen der Zivilgesellschaft daran.
    Erklärung von Busan, 2011 (en)

Weiterführende Informationen und Dokumente