
70% der 19 Millionen Menschen im Land sind unter 35 Jahren. Jedes Jahr gelangen 400 000 Jugendliche ohne berufliche Qualifikationen auf den Arbeitsmarkt. Die Herausforderungen im Bereich der Ausbildung und Beschäftigungsfähigkeit von Jugendlichen sind daher enorm, nicht nur in Burkina Faso, sondern auch in vielen anderen Ländern.
Die DEZA setzt sich seit mehreren Jahrzehnten für eine Verbesserung der Grundbildung und der Berufsbildung in Burkina Faso ein. Seit 2016 ist die Dachorganisation der Unternehmen des Privatsektors (Conseil national du patronat burkinabè, CNPB) die strategische Partnerin der DEZA. Die Dachorganisation hat zum Ziel, möglichst viele Unternehmen und Handwerksbetriebe zur Schaffung von Lehrstellen in ihren Betrieben zu bewegen.
Issa Compaoré, Sekretär für Beschäftigung und Berufsbildung der CNPB, und Ambroise Tapsoba, Fachspezialist des Kooperationsbüros der DEZA in Burkina Faso, reisen im Speisewagen von Bern nach Lausanne, wo die Jahreskonferenz stattfindet. Während der Fahrt tauschen sie sich aus.
Welche Botschaften bringen Sie mit?
Issa Compaoré (IC): Ich vertrete hier den «Conseil national du patronat burkinabè» (CNPB), der sich geehrt fühlt, das Vertrauen der DEZA zu geniessen, um die Ausbildungsperspektiven für die Jugendliche in Burkina Faso zu verbessern. Wir sind bereit, uns dafür einzusetzen. Der Privatsektor spielt ganz entschieden eine wesentliche Rolle, wenn es darum geht, den Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, aus ihrem Leben etwas zu machen.
Ambroise Tapsoba (AT): Die DEZA kann ihrerseits nachweisen, dass ihr langjähriges Engagement konkrete Auswirkungen auf das Leben der Menschen hat. Verschiedene Projekte haben es den Jugendlichen erlaubt, sich beruflich einzugliedern, ihren Lebensunterhalt zu verdienen und am öffentlichen Leben teilzuhaben. Mit dem Privatsektor als neuem Akteur werden unsere Anstrengungen einen Multiplikatoreffekt haben. Um dies zu erreichen, mussten wir die Regierung überzeugen, die Unternehmen in die Reform des Berufsbildungssektors einzubeziehen. Das ist uns gelungen.
Es ist kaum zu glauben, dass der Privatsektor zuvor nicht als Partner der Berufsbildung betrachtet wurde.
AT: Der ungenügende Einbezug des Privatsektors ist auf unser Schulsystem zurückzuführen, das darauf ausgerichtet war, Kaderleute für die Verwaltung auszubilden und nicht für die Wirtschaft. Die Allgemeinbildung und die Berufsbildung verfolgen nicht die gleiche Logik. Unser Land hatte immer Mühe, die praktische Dimension der Berufswelt in seine Bildungsprogramme aufzunehmen.
IC: Es stimmt, dass zahlreiche Lehrkräfte eine gewisse Abneigung haben gegenüber anderen Akteuren im Bereich der Wissensvermittlung. Und natürlich geht es auch um Politik und Machtverteilung. Unser Staat verstand sich immer als ein Staat, der alles tut. Sagen wir, dass er etwas lange gebraucht hat, um zu verstehen, was «geteilte Gouvernanz» bedeutet. Und ich meine hier nicht nur die Ausgrenzung des Privatsektors. Ähnlich erging es auch den lokalen Körperschaften und der Zivilgesellschaft.
Wie gehen Sie als Dachorganisation zahlreicher Berufsverbände konkret vor, um die Unternehmen in die Berufsbildung einzubeziehen?
IC: Wir werden den direkten Kontakt suchen, um unser Vorgehen und diese Neuausrichtung zu erklären. Unser Ziel ist es, 400 Unternehmen zu identifizieren, die bereit sind, Lernende aufzunehmen. Sie werden eine Auszeichnung erhalten für ihre Vorbildfunktion.
Stellen Sie in gewissen Unternehmen Widerstand fest?
IC: Es ist klar, dass die Ausbildung von Lernenden Kosten verursacht. Aber wie hier in der Schweiz kann sich diese Investition auszahlen, denn am Ende verfügen die Unternehmen über gut ausgebildete Mitarbeitende, die ihre Anforderungen erfüllen. Eine der Herausforderungen wird darin bestehen, den Unternehmen den Unterschied zwischen Lernenden und nicht oder schlecht bezahlten Praktikanten klar zu machen. Zu diesem Zweck muss die Gesetzgebung angepasst werden. Es braucht einen besseren Schutz für die Lernenden.
AT: Die Qualität der angebotenen Ausbildung, die Relevanz der Ausbildungsgänge und die Kompetenzen der Lehrkräfte sind weitere Aspekte, die vor einer breit angelegten Einführung der dualen Berufsbildung verbessert werden müssen. Wir arbeiten mit den betroffenen Ministerien an einer Reihe neuer Standards.
IC: Völlig einverstanden, wir müssen das Terrain vorbereiten... Die Schweiz unterscheidet sich von den anderen Gebern. Sie setzt Reformen sorgfältig und zuverlässig um. Es gibt heute wirklich keinen Bedarf für die Eröffnung neuer Ausbildungszentren. Die Herausforderung besteht vielmehr darin, Ausbildungsunternehmen zu finden.
Wenn wir davon ausgehen, dass jedes der 400 Unternehmen, die Sie zu hoffen finden, 1 bis 2 Lernende ausbildet, ist es nur schwer vorstellbar, wie die 400’000 Jugendlichen, die jährlich auf den Arbeitsmarkt drängen, eine Stelle finden sollen.
IC: Es ist natürlich klar, dass wir die demografische Kurve senken müssen. Die Grundschuldbildung, zu der 85% der Kinder Zugang haben, wird dazu beitragen. Danach müssen wir auf die Transformation unserer Wirtschaft setzen. Der Export von Gold und Baumwolle allein reicht nicht aus. Die Verarbeitung der Landwirtschaftsprodukte stellt ein enormes Potenzial dar. Das gilt auch für den Tertiärsektor. All die Jugendlichen, von denen wir hier sprechen, bleiben nicht untätig. Das Problem ist ihre niedrige Produktivität. Wenn sie eine richtige Ausbildung erhalten, sind sie nicht länger eine soziale Bombe, sondern können ihr innovatives Potenzial entfalten.