Humanitäre Aufnahme von Personen aus Afghanistan in der Schweiz

Medienmitteilung, 18.08.2021

Der Bundesrat wurde in seiner Sitzung vom 18. August 2021 darüber informiert, dass rund 40 lokale Mitarbeitende des Kooperationsbüros der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) in Kabul und ihre Kernfamilien in einer humanitären Aktion in der Schweiz aufgenommen werden sollen. Es handelt sich um insgesamt rund 230 Personen. Die Schweiz arbeitet weiterhin mit Hochdruck daran, Lokalmitarbeitende und Schweizer Staatsangehörige, die sich aktuell noch in Afghanistan aufhalten, ausser Land zu bringen.

Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan hat das EDA das Kooperationsbüro der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) in Kabul vorübergehend geschlossen. Aufgrund der aktuellen Umstände kann das Kooperationsbüro, mit dem die Schweiz seit 2002 in Afghanistan präsent ist, seine Aufgaben nicht mehr erfüllen. Drei Schweizer Mitarbeitende, die Kabul am Sonntag verlassen haben, befinden sich seit gestern Abend in der Schweiz.

Die Schweizer Botschaft in Islamabad, die konsularisch für Afghanistan zuständig ist, ist mit den Schweizer Staatsangehörigen, welche sich noch vor Ort befinden, in Kontakt. Bis anhin haben sich rund 30 Schweizer Staatsagenhörige gemeldet, welche das Land verlassen wollen. Das EDA rät seit längerem von Reisen nach und Aufenthalten in Afghanistan ab.

Lokale Mitarbeitende der Schweiz erhalten humanitäres Visum

Für das Lokalpersonal des Schweizer Kooperationsbüros wird mit Hochdruck nach Ausreisemöglichkeiten gesucht. Denn afghanische Mitarbeitende von westlichen Staaten und Organisationen sind nach der Machtübernahme durch die Taliban aufgrund ihrer Tätigkeit potenziell gefährdet. Die Schweiz hat als Arbeitgeberin eine Fürsorgepflicht für lokale Mitarbeitende in Afghanistan und hat daher entschieden, die Betroffenen und ihre engsten Familienmitglieder in die Schweiz aufzunehmen. Das EJPD hat beschlossen, die Aufnahme der rund 230 Personen dem vom Bundesrat für das Jahr 2021 genehmigten Resettlement-Kontingent von 800 Personen anzurechnen. Damit wird auf die Durchführung eines ordentlichen Asylverfahrens verzichtet und die Personen erhalten nach ihrer Ankunft und Registrierung in der Schweiz Asyl. Als Mitarbeitende der DEZA ist ihre Identität bekannt und eine Sicherheitsüberprüfung hat stattgefunden.

Was die Aufnahme weiterer Personen betrifft, sieht das schweizerische Recht vor, dass Personen ein Gesuch um ein humanitäres Visum persönlich bei einer schweizerischen Auslandvertretung einreichen können. Die Kriterien für die Ausstellung eines solchen Visums sind vom Gesetzgeber klar definiert worden: Es muss eine konkrete, unmittelbare und ernsthafte Gefährdung nachgewiesen werden. Die betroffenen Personen müssen zudem gemäss ständiger Praxis einen engen und aktuellen Bezug zur Schweiz haben. Für Mitglieder der Kernfamilie besteht zudem die Möglichkeit eines Familiennachzugs nach den ordentlichen Bestimmungen.

Gestützt auf diese Aufnahmekriterien wird das EJPD weitere Anfragen zur Aufnahme von einzelnen Personen aus Afghanistan prüfen. Demgegenüber verzichtet die Schweiz aktuell jedoch darauf, eine grössere Gruppe von Menschen direkt aus Afghanistan aufzunehmen. Einerseits erlaubt die unklare Informationslage gemäss UNHCR noch keinen Rückschluss auf einen allfälligen Resettlementbedarf. Andererseits wäre eine entsprechende Aktion wegen der derzeit chaotischen Situation bei der Ausreise aus Afghanistan auch technisch nicht möglich.

Asylgesuche von afghanischen Staatsbürgern in der Schweiz werden durch das SEM nach dem üblichen Verfahren geprüft, wobei gefährdete Personen weiterhin Asyl oder eine Vorläufige Aufnahme erhalten. Den Vollzug von rechtskräftigen Wegweisungen hat das SEM angesichts der Lageentwicklung vor Ort bereits am 11. August 2021 bis auf Weiteres sistiert.

Entwicklungszusammenarbeit: DEZA passt ihre Projekte an

Wann und in welcher Form die DEZA ihre Arbeit in Kabul wieder aufnehmen kann, ist zur Zeit noch offen. Das Schweizer Engagement vor Ort zugunsten der afghanischen Bevölkerung bliebt hingegen bestehen. Die DEZA passt ihre laufenden Projekte an die sich wandelnden Bedürfnisse der Zivilbevölkerung an. Sie steht dazu mit ihren lokalen und internationalen Partnern im Kontakt, von denen viele bereits seit längerem auch in den von den Taliban besetzten Gebieten arbeiten.

Humanitäres Völkerrecht und Menschenrechte müssen eingehalten werden

Der Bundesrat ist besorgt über die gravierende Sicherheitslage in Afghanistan. Sie trägt massgeblich zum Leiden der afghanischen Bevölkerung bei und erhöht die Zahl der Vertriebenen, die auf der Suche nach Sicherheit und Schutz sind. Er ruft alle involvierten Akteure mit Nachdruck dazu auf, sich an das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte zu halten. Insbesondere die Rechte von Minderheiten und von Frauen und Mädchen sind zu gewährleisten. Afghanische und ausländische Bürgerinnen und Bürger, die ausreisen wollen, müssen dies frei und ungehindert tun können; Strassen, Flughäfen und Grenzübergänge müssen dafür offen bleiben. Insbesondere auch vom Flughafen Kabul muss eine sichere und diskriminierungsfreie Ausreise möglich sein.


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Herausgeber:

Der Bundesrat
Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement
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