18.04.2018

Rüschlikon, 18.04.2018 - Allocuzione del Consigliere federale Ignazio Cassis in occasione del Zurich Economic Impulse - Fa stato la versione orale

Oratore: Capo del Dipartimento, Ignazio Cassis

Sehr geehrte Frau Blesi
Sehr geehrte Frauen Nationalrätinnen (Fiala und Gössi)
Sehr geehrte Herren Nationalräte (Rösti, Pfister, Brunner und Aeschi)
Sehr geehrter Herr Regierungsrat Rüegsegger
Sehr geehrter Stadtrat Leutenegger
Sehr geehrte Kantonsrätinnen

Liebe Anwesende

Eingegeben habe ich auf Google zwei Worte.
„Schweiz“ und „Spitze“.

Auf den Bildschirm förderte die Suchmaschine an erster Stelle einen Artikel der NZZ.

Schlagzeile:
„Innovation – Die Schweiz an der Spitze“

Darunter lese ich:
„Die Schweiz hat am meisten Patente pro Kopf, gibt mehr für Forschung und Entwicklung aus als andere Länder und ist attraktiv für die fähigsten Köpfe aus der ganzen Welt. In Sachen Innovation steht sie global und europaweit an der Spitze und sichert sich damit die Basis für ihren Wohlstand.“

Eigentlich könnte ich nun auf weitere Ausführungen verzichten, mich bei Ihnen höflich bedanken und schon wieder verabschieden.
Denn es ist ja eigentlich in diesen wenigen Sätzen bereits alles gesagt.

Nein, natürlich nicht!

Ich danke Ihnen herzlich für die Einladung zu „Zurich Economic Impulse“. Gerade eben habe ich von den fähigsten Köpfen gesprochen. Wenn ich in die Runde blicke, sehe ich sie hier versammelt.

Entschuldigen Sie, dass ich erst jetzt zu Ihnen stosse.
Heute ist Mittwoch und mein Speed-Dating-Frühstück gab es deshalb halt kurz vor der Bundesratssitzung in Bern.

Ich komme zurück auf die Wirtschafts- und Innovationskraft der Schweiz im internationalen Vergleich.
Seit sieben Jahren führt unser Land den Global Innovation Index an. Der anfangs zitierte NZZ-Artikel bezieht sich auf dieses Rating. 2017 erzielte die Schweiz Höchstwerte beim Wissen, der Technologie und Kreativität und zeigte gute Leistungen in den Bereichen Humankapital und Forschung, Infrastruktur und Entwicklungsstand der Wirtschaft.

Entscheidend ist die Kontinuität. Sieben Jahre ununterbrochen an der Spitze: Das ist natürlich eine grosse Leistung. Diese Position muss aber zwingend ein Ansporn für uns alle sein, immer und immer wieder noch besser zu werden. Würden wir uns zurücklehnen hätten wir schon verloren.
„Lernen ist wie Rudern gegen den Strom. Sobald man aufhört, treibt man zurück“, schrieb der legendäre chinesische Philosoph und Begründer des Taoismus Lao-Tse im 6. Jahrhundert v. Chr.

Sie haben Ihr Meeting unter den Titel gestellt „Innovation versus Regulierung“.
„Versus“‘ ist ein lateinisches Wort aus dem XV. Jahrhundert und bedeutet sowohl „gegen“ wie auch „gegenüber“. Mir gefällt die zweite Bedeutung besser.

So habe ich mir überlegt, ob man es vielleicht noch anders formulieren könnte. Beispielsweise „Innovation im Spannungsfeld der Regulierung.“

Weshalb diese Wortklauberei? Innovation und Regulierung sind für mich kein Gegensatz -  immer vorausgesetzt, dass man mit Augenmass reguliert.

Als Freisinniger weiss ich, dass Liberalismus nicht Anarchismus bedeutet!
Somit die Frage: Haben wir im Nachgang der Finanzkrise tatsächlich mit Augenmass reguliert?

Ich wage zu behaupten, im grossen und ganzen Ja. Ich betone: Im grossen und ganzen.

Natürlich war der politische Druck gross, den Gürtel noch enger zu schnallen – bis es der Wirtschaft den Schnauf abgestellt hätte. Die politischen Mehrheitsverhältnisse verhinderten zum Glück eine solche Fehlentwicklung, nach den Wahlen im Jahre 2015 noch etwas mehr als vorher. Tun wir also alles, dass es weiter in diese Richtung geht!

Seien Sie versichert: masslos zu regulieren ist kein Ziel, wofür ich mich im Bundesrat einsetze. Im Gegenteil: Der Staat soll so viel wie nötig und so wenig wie möglich regulieren … was allerdings bei den Freisinnigen etwas anderes bedeutet als bei den Sozialdemokraten!

Der Sinn der Regulierung liegt bekanntlich darin, Marktversagen zu verhindern oder zu korrigieren. Die Regulierung hat sich an den Bedürfnissen der Menschen, der Gesellschaft und der Wirtschaft zu orientieren. Je weniger Vertrauen in den Menschen, desto mehr Regulierung: Transparenz ist gefragt!
Läuft in der Wirtschaft etwas schief, erklingt die immer gleiche Remedurrhetorik: «höhere Transparenz» und «strengere Regulierung»! Und ihr folgt die immer gleiche Massnahme: formellere Verfahren mit zusätzlichen Schikanen.
Vertrauen wird mit Verfahren ersetzt: Daraus entsteht Überregulierung, eine Art Ritual gegen Misstrauen. Und Überregulierung schafft wiederum neue Intransparenz!
Sie haben es verstanden: Es geht um Vertrauen!
Das war das Thema nach der Wirtschaftskrise des letzten Jahrzehnts.
Regeln müssen für die Wirtschaft in der Lage sein, ihre Dynamik zu fördern, ihr Potenzial zu realisieren, aber auch allfälliges Marktversagen zu verhindern. Im Inland und im Ausland.

Als freisinniger Aussenminister habe ich zwei Überzeugungen:
1. Aussenpolitik ist stets auch Innenpolitik
2. Aussenpolitik ist vor allem Wirtschaftspolitik.

Und als Politiker weiss ich genau: Wo wir zu viel reguliert haben, setzt eine ganz natürliche Gegenbewegung ein. Politik bewegt sich in Zyklen.

Ich gebe Ihnen dafür ein typisches Beispiel. Der Nationalrat hat am 13. Dezember 2017 mit grossem Mehr eine Motion von Martin Landolt an den Ständerat überwiesen, die nach zehn Jahren FINMA verlangt, eine Bilanz über die neue Behörde zu ziehen.

Dazu gehört ausdrücklich auch eine Überprüfung ihrer Regulierungstätigkeit. Vom Bundesrat wird erwartet, dass er Korrekturen vorschlägt, wo das nötig ist. Der Bundesrat hat ausdrücklich die Annahme der Motion beantragt.

Solche pragmatischen Wege sind zielführender als zum Beispiel die Einführung einer eigentlichen Regulierungsbremse. Sie haben das heute auch diskutiert. Eine solche drastische Massnahme würde in einer direkten Demokratie übers Ziel hinaus schiessen und möglicherweise den Kochtopf zum Sieden bringen.

Sie sehen: Die Politik arbeitet gar nicht so schlecht. Sie ist durchaus fähig sich zu wandeln. Das muss aber stets im Miteinander mit der Wirtschaft geschehen. Diese helvetische Klammer zwischen Politik und Wirtschaft - und auch dies sei wieder einmal betont, gerade in Ihrem Kreise - greift auch dank der intakten Sozialpartnerschaft in unserem Land. Noch einmal: Es geht um gegenseitiges Vertrauen.
Wenn Sie das vergleichen mit der Situation in anderen Ländern, in diesen Tagen gerade wieder in Frankreich, dann wissen Sie wieso wir so gut dastehen und praktisch vollbeschäftigt sind.

Kein Wunder, bleiben wir 2018 im Aufwind.
Das SECO geht davon aus, dass sich die schwungvolle Konjunktur auch 2018 fortsetzt. Auch weil die „lebhafte Auslandkonjunktur“ den Aussenhandel stützt. Sodann ist die Stimmung unter den Konsumentinnen und Konsumenten gut.
Im Januar 2018 hat die Umfrage bei den privaten Haushalten sogar die beste Quote seit sieben Jahren ergeben.

Sehr verehrte Damen und Herren

Wie gesagt: Nie zurücklehnen. Wir haben noch einige grosse Brocken zu bewältigen. Wir stehen in der Pflicht für eine vorausschauende Politik. Wir müssen die Schritte vorbereiten, die für die Zukunft unseres Landes wichtig sind.
Die Steuervorlage 17, über die im kommenden Herbst das Parlament entscheiden soll, ist ein Beispiel einer solchen Politik. Es geht um eine wichtige Etappe zur Sicherung des Standorts Schweiz.
Die Steuervorlage braucht gewisse Regeln, damit die Wirtschaft sich entfalten kann. Die Regeln müssen aber klug - „massvoll“ - sein, damit die gewünschte Wirkung erzielt werden kann. Nochmals sehen Sie: Nur eine massvolle Regulierung schafft das.
Das ist eine weitere Antwort auf die Leitfrage Ihres heutigen Meetings, ob der Staat „ohne Mass“ reguliert, während die Wirtschaft gleichzeitig Gas gibt.

Ein anderes Mal drehe ich den Spiess vielleicht um, und frage Sie, ob der Staat so stark Gas gibt, dass die Wirtschaft das Tempo nicht mehr mithalten kann…

Sodann: Wohin geht die Entwicklung Chinas? Vor zwei Wochen habe ich dieses grossartige Land besucht und mit meinem chinesischen Amtskollegen Wang Li gesprochen. Bei solchen Gesprächen geht es immer auch darum auszuloten, welches Potenzial noch engere Beziehungen auch für unsere Wirtschaft haben könnte. Aber auch: Wo Risiken liegen könnten.
Einen ganzen Abend haben wir dort mit der Business Community über Chancen und Risiken für die Schweiz der Belt and Road Initiative (1'000 Miliarden CHF) diskutiert.

Meine Damen und Herren

Zur grössten Herausforderung im Jahr 2018: Die Entwicklung der Beziehungen der Schweiz zur Europäischen Union. Sie wissen das mindestens so gut wie ich: Die EU ist mit Abstand unsere wichtigste Handelspartnerin: Zwei Drittel des Schweizer Aussenhandels finden mit der EU statt.

Ja, die Schweiz weist gegenüber der EU ein Handelsbilanzdefizit auf. Das ist unbestritten.
2017 exportierten wir Güter für rund 117 Mrd. Fr. in die EU und importierten Waren für knapp 133 Mrd. Fr.
Auch unter Einbezug der Dienstleistungen (Schweizer Exportüberschuss von rund 5 Mrd. Fr. für 2016) bleibt es aus helvetischer Sicht bei einem Importüberschuss.

Lassen wir uns davon nicht verwirren: Das bedeutet keinesfalls, dass die Handelsbeziehung Schweiz - EU für die Union wichtiger sind als für die Schweiz.
Man muss die Frage der relativen Bedeutung anschauen, oder anders gesagt: Der Denominator ist ein anderer: 8,5 Mio. Einwohner CH versus 520 Mio. Einwohner EU.
Dann sieht die Rechnung etwas anders aus: Die Schweiz exportierte 2016 pro Einwohner Güter im Wert von 13 500 Fr. in die EU, während die EU pro Einwohner Waren im Wert von knapp 250 Fr. in die Schweiz lieferte.
Aus der Exportsicht war damit der bilaterale Handel für die CH über 50 Mal so wichtig wie für die EU!

Aber die Schweiz ist trotzdem auch für die EU ein wirtschaftliches Schwergewicht: Zusammen mit den USA und China gehört sie zu den drei wichtigsten Handelspartnern der EU.

Diese gegenseitigen Interessen sollte man nicht ausblenden – weder in der Schweiz noch in Brüssel!

Für den Bundesrat stellen sich zwei wichtige Fragen:

Wie können wir diesen Marktzugang in Zukunft sicherstellen?

Wie können wir die bestmögliche wirtschaftliche Integration mit der grösstmöglichen politischen Souveränität erreichen?

Die Antwort lautet: Unbedingt auf dem bilateralen Weg bleiben. Der bilaterale Weg ermöglicht den Schweizer Unternehmen den besten Marktzugang. Die Schweizer Stimmberechtigten haben ihn in mehreren Abstimmungen zementiert.

Um den bilateralen Weg weiterführen zu können, verhandeln wir und die EU seit 4 Jahren über die so genannten „institutionelle Mechanismen“: Rechtsentwicklung, Rechtsinterpretation, Überwachung und Streitbeilegung.
Diese Mechanismen sollen für unsere fünf bilateralen Markzugangsabkommen die gleichen Verfahrensregeln hervorbringen.

Für die EU ist es wichtig, dass die Regeln des Binnenmarkts für alle Marktteilnehmer gleichermassen gelten. Das sieht die Schweiz grundsätzlich ähnlich. Es macht wenig Sinn,
- wenn bei uns andere Standards bei der Luftsicherheit gelten, als am restlichen Himmel über Europa,
- wenn diesseits und jenseits der Grenze für die Aufbewahrung von Fleisch unterschiedliche Temperaturen in der Kühlkette vorgeschrieben sind,
- oder hier nach Vorschriften produziert wird, die auf dem EU-Binnenmarkt nicht anerkannt sind.

Aber: Der Bundesrat sagt klar und deutlich, dass die Schweiz neues Recht nicht automatisch übernimmt.
Es muss die souveräne Entscheidung der Schweiz sein und bleiben, ob sie neues EU-Recht in ein bilaterales Abkommen aufnehmen will.

Und sollten wir uns gegen eine Anpassung aussprechen, dürfen die Ausgleichsmassnahmen der EU nicht unverhältnismässig sein. Gemeint ist damit, dass beispielsweise gleich ein ganzes Abkommen sistiert würde, nur weil die Schweiz einen neuen Wirtschaftsstandard nicht übernimmt.

Ob eine Ausgleichsmassnahme «verhältnismässig» ist, soll im Streitfall ein Schiedsgericht entscheiden. Ein Schiedsgericht, für das die Schweiz und die EU je einen Richter oder eine Richterin ernennen und beide sich gemeinsam auf eine dritte Richterperson einigen.

Die verschiedenen Mechanismen, die ein effizientes Verfahren bei Rechtsanpassungen ermöglichen, sollen in einem institutionellen Rahmenvertrag zusammengefasst werden.
Sie alle hätten mit einem institutionellen Abkommen frisches Öl im Getriebe und würden nicht Gefahr laufen, wegen fehlender Updates für die Schweizer Exportwirtschaft wirkungslos zu werden.

Liebe Anwesende

Der Bundesrat wird ein solches institutionelles Abkommen nur dann unterscheiben, wenn sein Kosten-Nutzen Verhältnis für den Standort Schweiz vor Vorteil ist. Wir haben vor wenigen Wochen klar definiert, was wir wollen und was wir nicht wollen.
Nach dem Entscheid des Bundesrates wird dann das Parlament und das Volk darüber befinden!
Affaire à suivre donc !
Zum Verhandlungsstand kann ich Ihnen so viel verraten. Auf technischer Ebene sind wir so weit fortgeschritten, dass die Verhandlungen bis zum Sommer abgeschlossen werden können.
Das Verhandlungsklima ist gut und (in Klammer -wieder) sachlich.
Es werden aber noch einige offene Punkte bleiben, die noch auf politischer Ebene verhandelt werden müssen. In welchem Umfang und mit welchem Ausgang ist noch offen.

Eines ist jedoch sicher: Wenn die Verhandlungen auf technischer Ebene abgeschlossen sind, verlangen wir von der EU die Börsenäquivalenz unbefristet zu anerkennen und damit die politische Verknüpfung mit dem Rahmenabkommen wieder zu lösen. Die Voraussetzungen dafür sind zu diesem Zeitpunkt eindeutig erfüllt. Die Schritte in die richtige Richtung sind dann gemacht.

Meine Damen und Herren

Sie haben heute «Zukunftslabors» durchgeführt.
Auch die Politik ist eine Art Zukunftslabor.
Das lateinische Wort «labor» bedeutet sowohl «Arbeit» als auch «Mühe» oder «Leiden»…

Entscheidend ist dabei, dass wir diese Arbeit wie bisher im engen Austausch miteinander leisten, damit wir Vertrauen schaffen können!
Deshalb eine Bitte an Sie:

Sagen Sie uns deutlich, was Sie von uns erwarten!

Fordern Sie auch Ihre Spitzenverbände auf, ihre Erwartungen an uns unmissverständlich zu definieren.
Nur so können wir gemeinsam die Schweiz voranbringen.
Der Weg zu mir ist immer offen.
Mein Computer besitzt nicht nur einen Resetknopf, sondern auch eine Mailadresse.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


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Ultima modifica 06.01.2023

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