Fakultatives Referendum bei internationalen Standardabkommen

Medienmitteilung, 22.06.2016

Bern - Der Bundesrat schlägt vor, ihm oder der Bundesversammlung die Befugnis zum selbständigen Abschluss internationaler Standardabkommen einzuräumen. In den Sachgebieten, in denen keine solche Delegationsnorm geschaffen wird, wird der Bundesrat künftig von seiner bisherigen Praxis abrücken und internationale Standardabkommen dem fakultativen Referendum unterstellen. Dies hat er am Mittwoch gestützt auf einen Bericht des Bundesamtes für Justiz (BJ) entschieden.

Artikel 141 der Bundesverfassung bestimmt, dass völkerrechtliche Verträge, die "wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert", dem fakultativen Referendum unterliegen. Seit Inkrafttreten dieser Bestimmung im Jahr 2003 hat sich bei internationalen Standardabkommen, zu denen die Doppelbesteuerungs-, Freihandels- und  Investitionsschutzabkommen sowie die Abkommen über die soziale Sicherheit zählen, dennoch die Praxis entwickelt, diese nicht dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Bundesrat und Bundesversammlung führten zur Begründung auf, rechtsetzende Bestimmungen seien nur dann als wichtig zu betrachten, wenn sie zusätzliche Verpflichtungen für die Schweiz schaffen. Verpflichtungen wurden also nur dann als wichtig betrachtet, wenn sie nicht bereits in anderen Verträgen der Schweiz mit anderen Staaten vereinbart worden waren. Die Praxis bezüglich der Standardabkommen wurde wiederholt als inkonsistent kritisiert und infrage gestellt. 2009 rückte der Bundesrat im Zuge der Neuausrichtung der internationalen Steuerpolitik vorerst im Bereich der Doppelbesteuerungsabkommen davon ab.

Geltende Praxis aufgeben

Der Bundesrat hat das BJ beauftragt, die geltende Praxis bei den Standardabkommen vertieft zu analysieren. In seiner Analyse, die der Bundesrat heute zur Kenntnis genommen hat, gelangt das BJ zum Schluss, dass die Praxis aufgegeben werden soll. Wortlaut und Entstehungsgeschichte von Artikel 141 der Bundesverfassung machten deutlich, dass für innerstaatliche Gesetze und für internationale Verträge dieselben Regeln gelten sollen. Bei der Beurteilung, ob eine rechtsetzende Bestimmung wichtig ist oder nicht, ist deshalb einzig die Frage entscheidend, ob ein bestimmter Regelungsinhalt eines völkerrechtlichen Vertrages auf Gesetzesstufe angesiedelt werden müsste, wenn er landesrechtlich erlassen würde. Das Kriterium der Neuheit eines bestimmten Regelungsinhaltes eines völkerrechtlichen Vertrages, das der Bundesrat bisher benutzt hat, darf hingegen nicht zur Beurteilung der Wichtigkeit einer Bestimmung herangezogen werden.

Vertragsabschlusskompetenz delegieren

Der Bundesrat schlägt vor, für die Sachgebiete, in denen viele inhaltlich ähnliche Abkommen abgeschlossen werden, gesetzliche Grundlagen zu schaffen, die entweder den Bundesrat oder die Bundesversammlung zum selbständigen Abschluss von internationalen Standardabkommen ermächtigen. Durch eine Delegation der Vertragsabschlusskompetenz kann die bisherige Praxis gesetzgeberisch kodifiziert werden, was zur Rechtssicherheit und zur Verwesentlichung der politischen Auseinandersetzung beiträgt.

Adresse für Rückfragen:

Martin Wyss, Bundesamt für Justiz, T +41 58 462 75 75

Herausgeber:

Der Bundesrat
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Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement
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Bundesamt für Justiz
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Zusätzliche Verweise:

Die Dokumente zu dieser Medienmitteilung finden Sie auf der Website des EJPD