«Die Eltern wollen nach dem Erdbeben sicher sein, dass es ihren Kindern gut geht»
Dem Mosaik-Spital im Zentrum der türkischen Stadt Antakya fehlten nach den Erdbeben im Februar 2023 die Angestellten. Vier Spezialistinnen und Spezialisten des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) sprangen ein und führten Beratungen für Kinder und Eltern durch. Die Ärztin Céline Ritter Schenk war Teil des Teams.
Céline Ritter Schenk untersucht ein Neugeborenes, das in der Nacht des 1. Bebens vom 6. Februar auf die Welt gekommen ist. © DEZA
«Hallo, ich bin Céline, die Ärztin», stellt sich die Kindernotfallärztin Céline Ritter Schenk den Eltern mit einem Baby auf Englisch vor. Das Neugeborene kam am 6. Februar zur Welt, in der Nacht, in der ein Erdbeben der Stärke 7.8 die Stadt Antakya erschütterte. Die Eltern sind in das Mosaik-Spital im Stadtzentrum gekommen, um ihr Kind untersuchen zulassen. Céline Ritter Schenk und ihr Team wägen das Baby, kontrollieren die Atmung, den Puls, die Körperspannung, Aussehen und Reflexe. Das Kleinkind ist gesund, so das Fazit der Schweizer Ärztin.
«Die Kinder weisen die gleichen Sympome auf, wie die Kinder in der Schweiz um diese Jahreszeit», sagt Ritter Schenk. Atemerkrankungen, Augenentzündungen nennt sie als Beispiele. «Die Eltern erlebe ich als stark versunsichert und ängstlich. Sie wollen nach den Erbeben sicher sein, dass es ihren Kindern gut geht. Das ist verständlich.»
Das Mosaik-Spital befindet sich in der Nähe der Altstadt. Viele Gebäude rundherum sind kollabiert oder nicht mehr bewohnbar. Nicht so das Krankenhaus, das eine stabile Gebäudestruktur aufweist. Das private Krankenhaus ist auf Frauen- und Kinderbehandlungen spezialisiert. Es zählte vor dem Erdbeben pro Monat 400 Geburten, 9000 Konsultationen und hatte 22 Angestellte. Nach den Erdbeben des 6. Februar blieb die Mehrheit des Personals der Arbeit fern – weil sie selber verletzt worden waren, oder sich um Angehörige kümmern mussten. Als Folge des Ausnahmezustandes wandelten die türkischen Behörden die Privatklinik zu einem öffentlichen Krankenhaus um. In den Tagen nach dem Beben halfen freiwillige Ärzte und Ärztinnen aus der ganzen Türkei aus. Doch dann bebte am 20. Februar erneut die Erde mit einer Stärke von 6.4. Die Verunsicherung der Verbliebenen wurde zu gross, so dass der Direktor Mehmet Fatih Toksöz beschloss, das Spital für eine Woche zu schliessen.
Zwei Tage später, am 22. Februar, sprangen Céline Ritter Schenk und ihr Team in die Lücke. Die Krankenpflegerin Quynh Pham nimmt die Patienten in Empfang und übernimmt eine erste Einteilung. Danach untersuchen die Krankenpflegerin Rahel Montenegro und der Rettungssanitäter Thierry Spichiger die Kinder, bevor dann die Kinderärztin Ritter Schenk sich um die kleinen Patienten kümmert. Die Spezialistinnen und Spezialisten kommen im Rahmen des Soforteinsatzteams der Humanitären Hilfe der DEZA zum Einsatz und sind Teil des «Mother and Child»-Projektes des SKH.
Das Modul Mother and Child entstand nach dem Erdbeben in Haiti im Januar 2010. Das Modul konzentriert sich auf die Versorgung von Kindern und Schwangeren in Krisensituationen. Die Fachgruppe Medizin des SKH stellt dazu Expertinnen und Experten, wie auch Material zur Verfügung.
«Wir kommen dann ins Spiel, wenn wie hier im Spital das Personal fehlt», fasst Céline Ritter Schenk ihre Aufgabe zusammen. Besonders schätzt die 47-jährige, die neben ihrer Tätigkeit in der humanitären Hilfe als leitende Ärztin im Freiburger Spital arbeitet, dass man den Menschen vor Ort nicht sagt, wie sie zu funktionieren und arbeiten hätten, sondern ihnen Zeit gibt, ihre Arbeit wieder aufzunehmen.
Der 69-jährige Direktor des Mosaik-Spitals und Kinderarzt Mehmet Fatih Toksöz zeigt sich dankbar über die Zusammenarbeit : «Sie fragen uns, was wir brauchen und liefern entsprechend.» Darüber hinaus schätze er, dass das Schweizer Team spezialisiert und erfahren ist. Das grösste Anliegen des Mitgründers des Mosaik-Spitals ist, den Menschen vor Ort zu helfen und den Spitalbetrieb aufrecht zu erhalten.
Am 6. Februar 2023 bebte die Erde in der Türkei und Syrien mit einer Magnitude von 7.8. Ein weiteres Beben am gleichen Tag erreichte die Stärke 7.5. Die Naturkatastrophe forderte über 50‘000 Tote und mehr als 100‘000 Verletzte. Die Vereinten Nationen sprechen von 1,5 Millionen Menschen, die ihr Zuhause verloren haben. 500'000 Häuser und Wohnungen müssten wieder aufgebaut werden. Mehr als 850'000 Menschen leben seither in Zelten, 23'500 in Containern, wie türkische Behörden berichteten. Gemäss des türkischen Katastrophenschutzes wurden seit dem 6. Februar über 10‘000 Nachbeben registriert. Ein erneutes Beben am 20. Februar erreichte die Stärke 6.4.
Die Schweiz leistet der Türkei und Syrien humanitäre Nothilfe