Indien und Covid 19: «So unkompliziert helfen können macht zufrieden!»
60 Jahre DEZA: Geplant agieren, schnell reagieren, auf ein engagiertes Team zählen können: Direktorin Patricia Danzi zeigt, auf welche Stärken sie in der Schweizer internationalen Zusammenarbeit zählen kann, wie sich diese in den letzten Jahrzehnten verändert haben – und welche für die Zukunft entwickelt werden. Zum Beispiel Betroffene zu Beteiligtenmachen. Sieben Fragen an die Direktorin zum runden Jubiläum.
Schnelle Hilfe für Indien wegen Covid-19: Eine Maske haben, ein Beatmungsgerät haben – das kann den Unterschied von Tod zu Leben ausmachen. © Keystone
Frau Danzi, Sie sind seit bald einem Jahr Direktorin der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA. Was haben Sie erreicht, was freut Sie am meisten?
Dass wir in der Covid-Krise schnell und unkompliziert unsere Partner zur Seite stehen konnten. Dass wir trotz dieser Krise auf die Solidarität und das Vertrauen der Schweizer Bevölkerung zählen durften und mehr Geld für die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit erhalten haben. Und dass die DEZA auch in dieser herausfordernden Zeit in den Ländern vor Ort geblieben ist.
Wir haben innert kürzester Zeit hunderte lokaler DEZA-Projekte den Bedürfnissen von Covid-19 angepasst und umprogrammiert, der Bundesrat hat schnell und unbürokratisch 400 Millionen Franken zur Linderung der Auswirkungen von Covid-19 bereitgestellt und diese später als Nachtragskredit durchs Parlament gebracht – nebst den 11,2 Milliarden Franken, die das Parlament im Rahmen der Strategie der internationalen Zusammenarbeit IZA bewilligt hat. Dies ist nicht selbstverständlich, gerade in auch für die Schweiz wirtschaftlich herausfordernden Zeiten. Dies stärkt das Image der Schweiz, ihren Ruf, dass man sich auf ihre Entwicklungszusammenarbeit verlassen, dass sie in schwierigen Zeiten auch schnell und unbürokratisch unterstützen kann.
Diesen Respekt habe ich auch von vielen Menschen in DEZA-Partnerländern erfahren: Man hält ja während Covid-19 sehr viele Sitzungen nur per Skype oder anderen Onlineplattformen ab, man weiss also nicht immer, wo sich die Leute physisch gerade befinden. Unsere Partner/-innen haben es sehr geschätzt, dass die DEZA-Mitarbeiter/-innen auch während Covid-19 wirklich vor Ort waren und den Menschen in unseren Partnerländern so zur Seite gestanden sind, auch moralisch.
Auch dies zeugt vom grossen Engagement der DEZA-Mitarbeiter/-innen. Ich bin mit meinem Stellenantritt in einem «Nest» motivierter Mitarbeiter/-innen gelandet, die aktiv mitgestalten wollen. An einer Umfrage an der die DEZA-Mitarbeiter/-innen ihre Vorschläge für ein zielführendes Vorgehen beim Umsetzen der IZA-Strategie 2021–2024 einbringen konnten, sind hunderte von Ideen eingegangen! Das freute mich sehr! Wir nehmen diese Vorschläge und Kommentare sehr ernst: Wir sind daran, aus diesen Handlungsfelder uns den neuen Herausforderungen anzupassen um eine relevante Entwicklungsorganisation zu bleiben in den nächsten 60 Jahren.
Sie haben es angesprochen: Covid hat im letzten Jahr auch die DEZA stark gefordert. Was hat die DEZA diesbezüglich erreicht?
Die Schweiz hat gezeigt, dass sie «im Kleinen» konkret vor Ort helfen und ebenso in Zusammenarbeit mit anderen Ländern mit «grossen Hebeln» systemisch wirken kann. Für Nepal, ein Land mit einem der schwächsten Gesundheitssysteme, hat die Schweiz in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Privatsektor 30'000 Covid-19-Test-Kits, Thermometer und Schutzausrüstungen an die Zentralregierungen und in die Provinz geliefert. Auf der multilateralen Ebene hat sie mit ACTA, einem Zusammenschluss von Ländern, Privaten und Stiftungen, dafür gesorgt, dass Länder wie Ghana, die Elfenbeinküste oder Jordanien zügig Zugang zu Impfstoffen gegen Covid-19 erhalten und in Verhandlungen erreicht, dass der Preis pro Covid-19 -Test am Ende noch ein Zehntel des ursprünglichen Preises betrug. Das ist vielversprechend, und zeigt, dass wenn sich die verschiedenen Kräfte bündeln, auch globale Probleme angegangen werden können – und zwar sehr schnell!
Dank «ACTA» und der von der Weltgesundheitsorganisation WHO ins Leben gerufenen Initiative «COVAX» und «COVAX Facility», können Errungenschaften aus der Wissenschaft allen Ländern zugänglich gemacht werden. Konkret haben dank dieser Initiative alle – unabhängig von ihrer Kaufkraft – Zugang zu Diagnosemöglichkeiten, ärztlicher Behandlung, Impfungen. «ACTA» ist 10 Monate alt, den Impfstoff gibt es seit fünf Monaten, es ist eine riesige Errungenschaft, was «ACTA» in dieser kurzen Zeit erreicht hat. Und die Schweiz darf stolz sein, ihren Teil dazu beigetragen zu haben. Sie hat auch vor sich weiterhin zu engagieren. Dies ist gelungen, weil sie einen namhaften finanziellen Beitrag geleistet und somit Einsitz in Entscheid-Gremien hat. Wir sind es uns manchmal wohl noch zu wenig bewusst: Die Schweiz hat einen guten Ruf, sie kann schnell viel Geld und solide Expertise zur Verfügung stellen, man hört auf sie. So kann sie gemeinsam mit andern schnell Millionen von Menschen erreichen. Das ist ein riesen Potential, die grossen Probleme des Planeten Erde anzugehen! Das motiviert mich für die zukünftige Arbeit der DEZA!
Frau Danzi, Sie konnten Impfdosen für Nepal beispielsweise in Zusammenarbeit auch mit der Schweizer Privatwirtschaft schnell und preisgünstig zur Verfügung stellen. Gleichzeitig ist die «vermehrte Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft» bei der Vernehmlassung zur IZA-Strategie 2021–2024 auf Skepsis gestossen.
Nun, grundsätzlich kann ich die Vorbehalte, die hinter dieser Kritik stehen, verstehen: Man befürchtet, dass Entwicklungsgelder an grosse Unternehmen gehen, die in unseren Partnerländern investieren, ohne auf soziale und ökologische Nachhaltigkeit zu achten. Grossunternehmen haben in der Vergangenheit Fehler gemacht, sie sind jedoch auch bereit, daraus zu lernen. Die DEZA hat inzwischen Guidelines verabschiedet und in einem Handbuch festgehalten, damit die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor einen Rahmen bekommt. Dies schafft Klarheit.
Wir wollen aber das Kind nicht mit dem Bade ausschütten: Denn wenn wir die Menschen in unseren Partnerländern fragen, was sie am dringendsten brauchen, sagen sie: «eine Arbeit! » So können sie ihre Familie ernähren, die Schulbildung ihrer Kinder sichern, Geld in ihre Projekte investieren, ihre Gesundheit finanzieren und haben überhaupt erst die Freiheit, das zu tun, was sie wollen! Und wir wollen ja als DEZA auf die Bedürfnisse der Menschen vor Ort eingehen!
Sie haben die IZA-Strategie und die neuen Beiträge für die IZA 2021–2024 durchs Parlament gebracht – trotz Covid-19. Es steht schon lange fest, dass diese staatlichen Mittel nicht für Lobbying und Campaigning genutzt werden dürfen. Die präzisierende Regelung allerdings, dass NGOs Mittel aus den Programmbeiträgen nicht mehr für Informationen im Inland nutzen dürfen, hat für Kritik gesorgt.
Es ist nicht immer einfach, Lobbyarbeit von Informationsarbeit zu trennen. Wir haben diesbezüglich jetzt mehr Klarheit. Die Nichtregierungsorganisationen NGOs, welche in den Genuss von DEZA Programmbeiträgen kommen, erhalten einen Teilbeitrag an ihre internationalen Programme, zirka ein Drittel – für den Rest müssen sie seit je selber aufkommen. Der Gesamtbeitrag bleibt unangetastet, jedoch müssen die NGO Sensibilisierungsarbeit eigenständig finanzieren, ohne Bundesgelder.
Kommen wir auf die IZA-Strategie zurück, die letztes Jahr durchs Parlament verabschiedet wurde. Wie haben Sie das erreicht? Und welche Anpassungen im Vergleich zu früher sind für Sie besonders wichtig?
Die Strategie 2021–2024 wurde mit langer Hand vorbereitet, bereits vor meiner Ankunft. Es gab auch eine Vernehmlassung, so konnte sich eine breite Öffentlichkeit schon früh in die Debatte einbringen. Das war sehr hilfreich.
In der IZA-Strategie und der Umsetzung ihrer Finanzierung wird zum ersten Mal ein Richtwert fürs Klima reserviert – 400 Millionen Franken. Das entspricht einer Erhöhung von 25% gegenüber der vorhergehenden Strategieperiode. Die Folgen des Klimawandels sind nebst Konflikten und Gewalt auch je länger je mehr Grund für eine Flucht der Menschen aus ihrer Heimat.
Ein Schwerpunkt ist weiterhin die Migration. Es gab Stimmen, die befürchteten, wir würden nur noch mit Ländern zusammenarbeiten, die mit der Schweiz ein Rücknahmeabkommen für Migrant/-innen abgeschlossen haben. So funktioniert das natürlich nicht.
Die Schweiz will sich zusammen mit Partnerländern einsetzen, dass es weniger Ursachen für Flucht und Migration gibt, und dass die Menschen ein würdevolles Leben in ihrer Heimat führen können. Dies bedeutet zum Beispiel auch, dass wir uns in der Einhaltung des Internationalen Völkerrechts engagieren oder Partnerorganisationen unterstützen, die sich für eine bessere Integration von (Binnen)-Flüchtlingen einsetzen. Millionen von Menschen fliehen in ihre Nachbarländer wie Kenia, Sudan, Jordanien oder Libanon – und nur ein kleiner Teil gelangt bis in den Schengen Raum.
Von der «Entwicklungshilfe» hin zur «Internationalen Zusammenarbeit IZA»: Wenn wir zurückschauen auf 60 Jahre DEZA, stellen wir fest, dass sie sich von rein «technischer Hilfe» hin zum starken Einbezug der Partner/-innen vor Ort stark entwickelt hat – auch unter dem Einfluss der Veränderung der weltpolitischen Rahmenbedingungen – Stichworte Ende des 2. Weltkrieges, Mauerfall 1989 und Terror-Anschlag 9/11 im 2001. Welche «Epochenwende» und den Umgang der DEZA damit beeindruckt Sie am meisten?
Die DEZA hat sich immer wieder dem Weltgeschehen und den daraus resultierenden Gegebenheiten angepasst und sich die Fragen stellen müssen: «Machen wir das richtige? Machen wir es richtig? Sind wir am richtigen Ort? Sind wir noch gut aufgestellt, genügend vernetzt? » Die Veränderungen von der technischen Hilfe wie Unterstützung beim Brückenbau in Nepal über die Schaffung des Schweizerischen Katastrophen Hilfskorps Korps SKH, bis hin zu einem völlig neuen Verständnis der Zusammenarbeit mit unseren Partnerländern nach dem Mauerfall des ehemaligen Ostblocks waren enorm. Es waren Länder, die ein ganz anderes Verständnis der Zusammenarbeit hatten und andere Planungshorizonte und Ziele gewohnt waren, eine hohes Bildungsniveau aufweisen und mitgestalten wollten.
9/11 hat die Welt sehr stark durchgeschüttelt und die Konsequenzen werden noch lange spürbar bleiben. Auch dauern die Kriege länger, oft mehrere Jahrzehnte lang, dies beeinflusst stark, wie die Humanitäre Hilfe, die Entwicklungszusammenarbeit und Friedensförderung zusammenarbeiten müssen, um langfristige Wirkung zu erzielen. Heute kommen Themen wie Pandemiebekämpfung, Migrationsflüsse und Klimawandel dazu!
Frau Danzi, zum Abschluss ein Blick nach vorn: Welche Prinzipien sind wichtig, damit die DEZA auch in Zukunft auf Rückhalt in der Bevölkerung zählen und weiter erfolgreich wirken kann?
Es sind deren fünf: Sich weiterhin ständig den neuen Bedürfnissen und geopolitischen Realitäten anpassen, sich stärker vernetzen, agil bleiben, eine noch stärkere Wirkungsmessung und ein noch stärkerer Einbezug von Eigen-Leistungen unserer Partner/-innen. Zudem müssen wir uns kommunikativ weiterentwickeln, die gute Arbeit der DEZA zeigen, und uns Debatten zur Entwicklungszusammenarbeit stellen.
Frau Danzi, besten Dank für das Gespräch.
Schwerpunkte Zusammenarbeit
Die DEZA feiert dieses Jahr ihr 60-jähriges Bestehen. Zu diesem Anlass beleuchten wir verschiedene Aspekte der internationalen Zusammenarbeit – zum Beispiel deren historische Entwicklung. Die internationale Zusammenarbeit IZA hat zum Ziel, weltweit Not und Armut zu lindern, die Einhaltung der Menschenrechte zu verbessern, Demokratie zu fördern und die Umwelt zu schonen. Für die Jahre 2021–2024 wurden folgende thematische Schwerpunkte gesetzt:
- menschenwürdigen Arbeitsplätzen vor Ort schaffen
- den Kampf gegen den Klimawandel fortsetzen
- die Ursachen von Flucht und irregulärer Migration reduzieren
- Engagement für Rechtsstaatlichkeit
Gemäss Finanzplanung sind insgesamt 11,25 Milliarden CHF für die Jahre 2021–2024 vorgesehen. Die IZA-Strategie ist abgestimmt auf die Aussenpolitische Strategie 2020–2023 des Bundes.