- Home
- FDFA
-
News
- News overview
- Press releases
- Dossiers
- Speeches
- Interviews
- Flights of Department Head
-
Press releases
Press releases
Liebe Jungbürgerinnen und Jungbürger,
Dieses Jahr erreichen Sie die Mündigkeit und wurden deshalb vom Gemeinderat der Stadt Bern in das Parlamentsgebäude eingeladen.
Hier tagt vier Mal im Jahr die Bundesversammlung, die das Volk und die Kantone vertritt. Sie sind hier vertreten, aber sehr viele Entscheidungen, die die Einwohner dieses Landes direkt betreffen, werden auf lokaler und kantonaler Ebene getroffen. Von Leuten, die Sie vielleicht kennen, denen Sie auf der Strasse begegnen. Manchmal werden die Entscheidungen direkt – seit diesem Jahr auch von Ihnen – getroffen, an der Urne.
Die Nähe der Behörden ist eine grosse Kraft des schweizerischen Föderalismus; die Beteiligung und der Einbezug aller Bürger ist die Stärke der direkten Demokratie.
Ein Journalist hat mich vor ein paar Tagen in Zusammenhang mit der Ecopop-Initiative, die nutzlos und gefährlich für die Schweiz ist, gefragt, ob „das Volk“ der „Classe politique“ folgen werde. Ich habe ihm erklärt, dass dies genau das Schöne in der Schweiz ist: es gibt keine „Classe politique“, keine politische Klasse. Die Politiker sind normale Bürger. Wir alle machen Politik, engagieren uns für ein paar Jahre, meist freiwillig als Milizleute. Und umgekehrt gilt auch, was Präsident Kennedy einst seinen Mitbürgern sagte: in der Schweiz tragen alle Bürger ein politisches Amt.
Das Schönste von allem: sie sind Bürger, sie wählen und stimmen ab. Das ist ein Recht aber auch eine wichtige Verantwortung.
Das Volk sendet nicht einfach „Symbole“ und „Botschaften“ an die Behörden, sondern es entscheidet. Und diese Entscheidungen werden umgesetzt.
Nehmen Sie zum Beispiel die Entscheidung vom 9. Februar zur Masseneinwanderungsinitiative: sie wird umgesetzt. Der Bundesrat wird die Immigration besser kontrollieren und er tut das, indem er auch den bilateralen Weg, der sehr wichtig ist für unseren Wohlstand, pflegt und weiterentwickelt.
Deswegen ist es gefährlich, wenn die Ecopop-Initiative angenommen wird. Denn falls sie eine Mehrheit findet, am 30. November, wird sie umgesetzt. Und das bedeutet ab Januar 2015 das Ende des bilateralen Wegs.
Ja, alle Bürger sind Entscheidungsträger in der Schweiz, die Mündigkeit bringt wunderschöne Rechte und auch eine grosse Verantwortung mit sich.
An der Volljährigkeitsfeier nehmen dieses Jahr auch jugendliche Auslandschweizer teil. Herzlich willkommen in Ihrer Heimat! Ihre Anwesenheit erinnert uns daran, dass nicht nur das Lokale unsere Identität ausmacht, sondern dass auch Offenheit und Neugier gegenüber der Welt dazu gehören. Sie erinnert uns auch daran, dass mehr als 700‘000 Schweizer, also fast einer von 10, im Ausland wohnt und dass die Schweiz sehr tief mit der Entwicklung der Welt verbunden ist.
Und diese Welt, unsere Welt, ändert sich in raschem Tempo. Gewissheiten von gestern werden heute in Frage gestellt und morgen über den Haufen geworfen. Das ist manchmal positiv und manchmal problematisch.
Auf jeden Fall ist Veränderung aber immer eine potentielle Chance, die wir nutzen müssen.
Politisch aktiv sein, bedeutet genau das: Chancen packen, wo sie sich ergeben, und Chancen schaffen. Damit die kommenden Generationen in einer Welt leben können, die jedem Einzelnen Perspektiven bietet.
Wir haben eine Verantwortung für die Jugend und ganz allgemein für jene, die nach uns kommen. Das ist der Sinn der Politik.
Die Welt darf dies nicht vergessen, wenn sie nächstes Jahr in einer grossen Debatte die Zukunft der nachhaltigen Entwicklung definieren wird. Das ist die Botschaft die ich, im Namen der Schweiz, an die anderen Staatsoberhäupter vor der UNO Generalversammlung Ende September gerichtet habe. Und das ist heute meine Botschaft an Euch.
Die Staaten, die Regierungen haben eine Verantwortung für die Zukunft unserer Erde, doch auch Sie, liebe Jungbürger, haben eine Verantwortung: denn ohne Eure Mithilfe können wir die Welt von morgen, diese Welt, die Euch gehört, nicht gestalten.
Wir müssen deshalb zusammen an der Zukunft bauen, damit uns die Zukunft nicht verbaut wird.
Die Ausübung Ihrer politischen Rechte ist ein erster, wichtiger Schritt in diese Richtung, es ist aber nicht die einzige Möglichkeit.
Als Bundespräsident und Aussenminister habe ich oft die Gelegenheit, andere Länder zu besuchen. Ich treffe dabei immer wieder junge Leute, auch in Ihrem Alter. Dabei fällt mir auf, dass die Jungen, unabhängig der speziellen Situation oder der Geschichte ihres Landes, überall auf der Welt eigentlich das gleiche wollen: Perspektiven.
Sie wollen in Frieden leben. Sie wollen ein Leben in Würde und in Gleichheit; sie wollen Arbeit, sie wollen eine gute Ausbildung. Dafür setzen sie sich nach Möglichkeiten ein und dafür setzt sich auch die Schweiz ein. Ich gebe Ihnen ein paar Beispiele:
- Die Schweiz engagiert sich in der Welt –auch im Rahmen der UNO – für verschiedene Themen, die die Jugend der Welt direkt betreffen – beispielsweise gegen den Einsatz von Kindersoldaten. Gegenwärtig werden mindestens 250‘000 Kinder gezwungen, an kriegerischen Handlungen teilzunehmen – in Syrien, in der Ukraine, in Zentralafrika und in vielen weiteren Länder. Anstatt eine Zukunft aufzubauen, müssen diese Kinder an Kriegen teilnehmen. Letzte Woche habe ich eine ehemalige Kindersoldatin hier in Bern getroffen; was sie zu erzählen hatte, war erschütternd.
Die Schweiz bekämpft den Einsatz von Kindersoldaten in der festen Überzeugung, dass alle Kinder Rechte haben, die Ihnen unter allen Umständen zustehen: das Recht auf Bildung, auf Würde, auf Perspektiven, auf eine Zukunft. Das Recht, ein Kind zu sein.
- Im Rahmen des diesjährigen Schweizer Präsidialjahres der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) setzen wir uns für die Förderung der Sicherheit in Europa ein. Eine Priorität unserer Präsidentschaft betrifft die Jugend. Im Rahmen einer Simulation haben 57 Jugendliche – einer pro OSZE-Mitgliedstaat – konkrete Vorschläge erarbeitet. Sie werden im Dezember die Gelegenheit haben, die Vorschläge den Aussenministern der Mitgliedstaaten direkt vorzustellen.
Die Schweiz nimmt somit eine Sprachrohr-Funktion ein; sie gibt der Jugend eine Stimme. Die Jugend nutzt diese, um auf Themen aufmerksam zu machen, die ihr am Herzen liegen: Migration, Cyber, Radikalisierung, Ausbildung, Arbeitsmarkt, Umweltschutz und viele weitere, wichtige Themen.
- Drittes und letztes Beispiel: Die duale Berufsbildung. Dieses Modell ist ein Hauptpfeiler in der Ausbildung der Schweizer Jugend. Es ist eines der Gründe, weshalb die Arbeitslosigkeit in der Schweiz tiefer liegt als in vielen anderen Ländern.
Eine Berufslehre, kombiniert mit dem Besuch der entsprechenden Berufsschule, ist bei uns genau so viel wert wie eine universitäre Bildung; sie eröffnet ebenso viele Türen und Perspektiven. Die Schweiz arbeitet mit diversen Staaten wie Myanmar, Bosnien und Herzegowina oder neu den USA zusammen, um anhand dieses Modells die Berufsaussichten von Tausenden von Jugendlichen in der Welt zu verbessern.
Liebe Jungbürgerinnen und Jungbürger,
Die Schweiz setzt sich für die Generationen von morgen ein.
Tragen auch Sie dazu bei, dass die Welt von morgen eine bessere und gerechtere Welt für mehr Menschen sein kann!
Nutzen Sie Ihre politischen Rechte, Ihre Bildung, Ihre Erfahrung, um mit Ihrem Engagement direkt auf die Schweiz und auf die Welt von morgen Einfluss zu nehmen!
Die erst 17jährige Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai zeigt, dass ein Engagement möglich und von Nutzen ist. Diese junge Frau engagiert sich mutig und entschlossen für das Recht auf Bildung und Mädchenrechte in ihrer Heimat Pakistan, aber auch weltweit. Vor zwei Jahren bezahlte sie ihren Einsatz beinahe mit ihrem Leben – dieses Jahr wurde sie mit einer der angesehensten Auszeichnungen der Welt geehrt und sie steht damit für den Einsatz der Jugend für eine bessere Welt. Es ist nicht nötig, dafür sein Leben zu riskieren, aber dieses Engagement zeigt, dass man selbst in einem jungen Alter viel erreichen kann um die Welt zu verändern.
Einst nutzte ein junger Schweizer, Henry Dunant, all seine Kraft und Energie, um seine Vision zu verwirklichen. Er hat das Rote Kreuz gegründet und damit die Welt für immer verändert. Auch er hat den Friedensnobelpreis gewonnen, und zwar den allerersten, im Jahr 1901. Ihn hat die Schweiz in diesem Jahr – anlässlich des 150jährigen Bestehens des IKRK geehrt und einen ihren höchsten Gipfel in „Dunantspitze“ umbenannt.
Wie Malala und wie Dunant muss man an seine Ziele glauben und hart arbeiten. Ich ermutige auch Sie, sich zu engagieren. Zugunsten unseres Landes. Zugunsten unserer Welt!
Durch die Teilnahme am politischen, sozialen, sportlichen, kulturellen, wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Leben in Ihrer Stadt, Ihrem Kanton, in der Schweiz oder anderswo in der Welt, beeinflussen Sie die Zukunft direkt. Ergreifen Sie diese Möglichkeit!
Ich danke Ihnen und wünsche allen viel Erfolg!