Schweizer Frauennetzwerk zur Friedensförderung
Gemeinsam stark. Auf Initiative des EDA schliessen sich Schweizer Diplomatinnen und Expertinnen für internationale Sicherheit zum Netzwerk «Frauen in Friedensprozessen» zusammen. Krieg und Frieden sind nicht nur Sache der Männer.
Schweizerinnen leisten als Chefvermittlerinnen einen Beitrag zum Frieden. Auf dem Bild die Schweizer Diplomatin Christine Schraner Burgener, UNO-Sonderbeauftragte für Myanmar. © Keystone
Anlässlich des Internationalen Tags der Frau am 8. März lanciert das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) das Netzwerk «Schweizerinnen in Friedensprozessen» («Swiss Women in Peace Processes [SWiPP])». Es umfasst gegenwärtig 15 Schweizerinnen, die sich für das EDA, für Nichtregierungsorganisationen oder für internationale Organisationen in den verschiedensten Weltregionen für den Frieden einsetzen.
Vereinte Kräfte, gegenseitige Unterstützung und Inspiration
Weltweit wirken nur wenige Frauen bei Friedensprozessen mit. Netzwerke sind ein hervorragendes Instrument, um die Möglichkeiten und die Sichtbarkeit von Frauen zu verbessern. Sarah Koch ist Beraterin für menschliche Sicherheit an der Schweizer Botschaft in Kamerun. Sie hat sich dem SWiPP-Netzwerk angeschlossen, denn sie findet: «Ein Friedensprozess ist komplex und umfasst viele Themen und Dynamiken, er kann nur mit einem Zusammenspiel vieler verschiedener engagierter Akteure und Akteurinnen zum Erfolg führen. Genauso benötigt es vereinte Kräfte, gegenseitige Unterstützung und Inspiration, um in bestimmten Themen weiter zu kommen. Netzwerke sind dafür ein sehr gutes Instrument».
Zum Netzwerk gehören eine digitale Plattform und ein beratender Ausschuss (Sounding Board), in dem beide Geschlechter vertreten sind. Dies erleichtert den Dialog, den Erfahrungsaustausch und die Organisation von Gastvorträgen. «Das Netzwerk ermöglicht uns Peer-Coaching, Weiterbildung und Karriereplanung sowie einen generationenübergreifenden Austausch zu spezifischen Themen, mit denen Frauen in Friedensprozessen konfrontiert sind», sagt Sanna Vögeli, SWiPP-Mitglied und Programmbeauftragte für Mediation bei Swisspeace.
Nach einer achtzehnmonatigen Pilotphase soll das Netzwerk ausgebaut werden.
7 von 10 Friedensprozesse ohne Frauen
Wenn es darum geht, Kriege oder Konflikte zu beenden und Lösungen für einen dauerhaften Frieden zu finden, sind Frauen in der Minderheit. Gemäss dem Thinktank Council on Foreign Relations waren bei den wichtigsten Friedensprozessen von 1992 bis 2019 durchschnittlich 13% der Unterhändler, 6% der Mediatoren und 6% der Unterzeichner weiblich. Der Thinktank zeigt auf, dass Frauen in führenden Positionen als Unterhändlerinnen oder Zeuginnen häufig fehlen oder in der Minderheit sind.
Frieden, ein gemeinschaftliches Engagement und ein gemeinsamer Prozess
Das SWiPP-Netzwerk entspricht einem echten Bedürfnis. Frauen sind nicht von Natur aus friedfertiger als Männer. Ihre Mitwirkung in Friedensprozessen ist wichtig, weil sie das ganze soziale Gefüge mobilisieren.
Gemäss Sanna Vögeli ist ein vielfältiges Mediationsteam ein wichtiger Bestandteil eines nachhaltigen Friedensprozesses. «Die Diversität des Teams erlaubt es, auf vielfältige Weise mit den Teilnehmenden eines Friedensprozesses zu interagieren, unterschiedliche Beziehungen und Kommunikationskanäle zu pflegen, sich untereinander auszutauschen und verschiedene Perspektiven einzubeziehen», meint sie.
Deborah Schibler, Beraterin für Friedenskonsolidierung bei der Mission der Organisation Amerikanischer Staaten (MAPP/OAS) gehört dem Netzwerk ebenfalls an. Ihrer Meinung nach kann mehr erreicht werden, wenn frauenspezifische Kompetenzen genutzt werden. «Studien zeigen, dass Frauen vermehrt und vorzugsweise ihr Augenmerk auf Versöhnung, Wiederaufbau und Übergangsjustiz lenken und sich gezielt für dauerhafte Lösungen einsetzen. Frauen erleben den Krieg anders als Männer und haben oft andere Ansichten und Lösungsansätze, die mit traditioneller Konfliktbewältigung brechen», erzählt die Expertin.
Sara Hellmüller, ein weiteres SWiPP-Mitglied, ist Forscherin und Dozentin am Hochschulinstitut für internationale Studien und Entwicklung in Genf. Sie wirkte bei verschiedenen Friedensprozessen mit (Darfur, Libyen, Syrien) und betrieb wissenschaftliche Forschung. Ihr zufolge spielen Frauen in Friedensprozessen auf verschiedenen Ebenen eine wichtige Rolle.
«Als Mitglieder der Verhandlungsparteien, als Teil der Zivilgesellschaft oder als Mediatorinnen. Es ist wichtig, dass die Fluidität und Überlappung dieser Identitäten anerkannt wird und man Frauen nicht in ein bestimmtes Schema drängt. Gleichzeitig gibt es nur wenige Beispiele von internationalen Friedensprozessen, in denen eine Frau als Haupt-Mediatorin vermittelt. Frauen sind oft in sogenannten mediationsunterstützenden Rollen tätig. Diese Rollen sind nicht zu unterschätzen, aber es ist auch wichtig, dass Frauen Zugang zur Spitze haben.»
«Frieden ist ja nicht teilbar»
Natürlich haben auch Männer ihren Platz im Frauennetzwerk. Simon Geissbühler ist Mitglied des Sounding Board des SWiPP-Netzwerks und Chef der Abteilung Frieden und Menschenrechte des EDA. Er unterstützt die Initiative, weil sich Frauen und Männer in Friedensprozessen seiner Meinung nach ergänzen.
«Frieden ist ja nicht teilbar. Frauen sind in offiziellen Friedensprozessen untervertreten, sei es als Vermittlerinnen oder als Verhandlungsführerinnen. Frauen sind oftmals stark informell in der Konfliktprävention und Konfliktlösung engagiert. Es ist jedoch noch immer die Ausnahme, Frauen in gleichberechtigter Weise im öffentlichen Raum an der Beilegung von Konflikten und nachhaltigem Frieden arbeiten zu sehen.»
Schweizer Friedensförderung
Das Netzwerk der Schweizerinnen in Friedensprozessen ist Teil der anderen regionalen Mediatorinnennetzwerke Afrikas, des Commonwealth, des Mittelmeerraums und Skandinaviens.
Die Schweiz beteiligt sich aktiv an der Vermittlung von Friedensverhandlungen und der Unterstützung von Friedensprozessen. Die Identität der Schweiz ist geprägt durch ihre Geschichte und ihre Aussenpolitik, was die Mediation in vielerlei Hinsicht erleichtert: Die Schweiz hat keine koloniale Vergangenheit, verfügt über eine demokratische Staatsstruktur, sprachliche und kulturelle Vielfalt sowie eine langjährige Tradition der Neutralität.
Die Schweizerinnen haben ihren Platz in der Friedensvermittlung. «Als Schweizerin wird man oftmals für die Neutralität und Bereitschaft zur Kompromissfindung geschätzt, typische Werte also, für die die Schweiz weltweit bekannt ist und geschätzt wird. Unser auf Konsens basiertes politisches System, die kulturelle und sprachliche Vielfalt des Landes sowie die humanitäre Tradition der Schweiz bilden die Basis für eine glaubwürdige Mediationsrolle von Schweizerinnen und Schweizern in Friedensprozessen weltweit», erklärt Sanna Vögeli.
Auch wenn Frauen bei der Beilegung von Kriegen und Konflikten und der Förderung eines nachhaltigen Friedens die Ausnahme sind, ist Simon Geissbühler für die Zukunft sehr optimistisch. Er verweist auf die zahlreichen Schweizerinnen, die sich auf diesem Gebiet bereits hervorgetan haben, und erklärt, der Nachwuchs sei gesichert: «Ich bin optimistisch, wenn ich den Talentpool sehe und das Engagement und das Knowhow vieler, auch jüngerer Schweizer Vermittlerinnen».
Konkreter Beitrag zur Umsetzung der Pflichten der Schweiz
Das SWiPP-Netzwerk ist ein konkreter Beitrag zur Umsetzung der Sicherheitsratsresolution 1325 «Frauen, Frieden und Sicherheit» und steht im Einklang mit der Aussenpolitischen Strategie der Schweiz 2020–2023.
Das SWiPP-Netzwerk wird die Anerkennung und die Glaubwürdigkeit der Schweiz im Bereich der Friedensförderung weiter stärken. Das ist wichtig für die Schweiz, die für 2023/2024 für den UNO-Sicherheitsrat kandidiert und die Förderung der Agenda für Frauen, Frieden und Sicherheit zu einem aussenpolitischen Schwerpunkt erklärt hat.