Die Schweiz setzt ihre verstärkte Unterstützung für Moldau fort
Die Schweiz engagiert sich seit über 20 Jahren in Moldau. Seit Beginn der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine hat sie ihre Unterstützung für das Land ausgeweitet. Nach einer Phase der Nothilfe wird das Engagement 2024 fortgesetzt. Bundesrat Ignazio Cassis hat bei seiner Teilnahme an der «Moldova Support Platform» am 17. Oktober 2023 Hilfe in Höhe von rund 25 Millionen Franken für das nächste Jahr angekündigt. Überblick über das Engagement der Schweiz in diesem osteuropäischen Land.
Bundesrat Ignazio Cassis nahm an der 4. Ausgabe der «Moldova Support Platform» in Chisinau teil. © Moldova Support Platform
Die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine hat die Republik Moldau, die unmittelbar an die Ukraine angrenzt, stark in Mitleidenschaft gezogen. Etwa 110 000 Geflüchtete aus der Ukraine leben heute noch in Moldau. Damit hat das kleine europäische Land im Verhältnis zu seiner Bevölkerungszahl die meisten Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Zudem hat die Krise in der Ukraine vielfältige negative Auswirkungen auf die moldauische Wirtschaft, wie etwa eine hohe Inflation, unterbrochene Lieferketten und gestiegene Energiepreise.
Vor diesem Hintergrund wurde im April 2022 die «Moldova Support Platform» eingerichtet. Diese von Deutschland, Frankreich und Rumänien geschaffene Plattform soll die internationale Unterstützung koordinieren, um sofortige politische, finanzielle und materielle Hilfe für Moldau zu mobilisieren. Bundesrat Ignazio Cassis nahm am 17. Oktober 2023 an der vierten Ausgabe dieser Veranstaltung teil, die in Chisinau, der Hauptstadt von Moldau, stattfand. Der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten gab bekannt, dass die Schweiz das Land im Jahr 2024 mit rund 25 Millionen Franken unterstützen wird. Das ist doppelt so viel wie vor dem Beginn des Kriegs in der Ukraine.
Die Schweiz engagiert sich seit 2000 in Moldau und ist seit Langem vor Ort präsent. Sie arbeitet mit den Behörden, UNO-Organisationen und anderen multilateralen Partnern sowie internationalen und nationalen NGO zusammen. Wie und in welchen Bereichen engagiert sich die Schweiz? Interview mit Guido Beltrani, Leiter des Schweizer Kooperationsbüros in Moldau.
Wie beurteilen Sie die Lage in Moldau heute?
Die Folgen des Kriegs in der Ukraine sind weiterhin deutlich zu spüren, und die Zahl der ukrainischen Flüchtlinge ist nach wie vor sehr hoch. Dies erhöht den Druck auf die Behörden und die Bevölkerung, die nach der Covid-19-Pandemie mit neuen Herausforderungen konfrontiert sind. Ihre Widerstandsfähigkeit wird auf eine harte Probe gestellt. Die Behörden versuchen, ein Gleichgewicht zwischen kurzfristigem Krisenmanagement und der Umsetzung mittel- und langfristiger Reformen zu finden. Vor diesem schwierigen Hintergrund ist ihre Bereitschaft, im Hinblick auf den EU-Beitrittsprozess wichtige Reformen einzuleiten, besonders zu begrüssen. Moldau hat im Juni 2022 den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhalten.
Die Schweiz ist mit ihrer internationalen Zusammenarbeit seit 20 Jahren in Moldau tätig. In welchen Bereichen?
Der Fokus des Schweizer Kooperationsprogramms liegt auf den drei Bereichen Gesundheit, lokale Gouvernanz sowie wirtschaftliche Entwicklung und Beschäftigung. Im Gesundheitsbereich unterstützt das Programm der Schweiz einen integrierten, patientenzentrierten Ansatz für die Gesundheitsversorgung, Gesundheitsförderung und Prävention. Der Fokus liegt insbesondere auf der Prävention von nicht übertragbaren Krankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie auf der psychischen Gesundheit. Im Bereich der lokalen Gouvernanz trägt die Schweiz dazu bei, das Vertrauen und die Zusammenarbeit zwischen den Behörden, Organisationen der Zivilgesellschaft, unabhängigen Medien und der breiten Öffentlichkeit zu verbessern, um demokratische Ansätze und den sozialen Zusammenhalt zu fördern. Im Bereich Wirtschaft und Beschäftigung trägt die Schweiz insbesondere zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen sowie von Kleinbauern bei, damit sie besser in der Lage sind, mit Herausforderungen wie steigenden Energiepreisen oder dem Klimawandel umzugehen. Ausserdem setzt sie sich für die Stärkung der beruflichen Grundbildung nach dem Modell der Schweizer Berufslehre ein.
Wie hat die Schweiz ihre Aktivitäten nach dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine angepasst?
Angesichts des grossen Flüchtlingsstroms aus der Ukraine verstärkte die Schweiz sofort ihr Engagement und leistete humanitäre Hilfe, obschon sich ihre Programme seit 2008 auf die Entwicklungszusammenarbeit konzentrieren. Im März und April 2022 standen 42 Expertinnen und Experten des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe vor Ort im Einsatz. Nach einer Lagebeurteilung bauten sie Strukturen für das Krisenmanagement auf, trugen zur Gesundheitsversorgung in den Flüchtlingszentren bei und halfen, die Infrastruktur an den Grenzen zu verbessern, insbesondere in Palanca, dem meistgenutzten Grenzübergang zur Ukraine im Süden Moldaus. Die Schweiz lieferte zudem medizinische Notfallausrüstung und leistete mit Beiträgen in Höhe von 19 Millionen Franken an drei verschiedene Nothilfefonds auch direkte finanzielle Unterstützung.
Inwiefern war die langjährige Präsenz der Schweiz vor Ort ein Vorteil im Hinblick auf die Unterstützung nach Beginn der militärischen Aggression gegen die Ukraine?
Die Schweiz hat während ihres über 20-jährigen Engagements vor Ort Fachwissen erworben, ein Netzwerk aufgebaut und sich bei den lokalen Akteuren einen Namen gemacht. Sie konnte deshalb nach Ausbruch des Kriegs in der Ukraine sehr schnell handeln. Die zusätzlich bereitgestellte humanitäre Hilfe stützt sich auf das etablierte, laufende Kooperationsprogramm und ist komplementär dazu. Tatsächlich sind die meisten humanitären Massnahmen auf die drei Hauptbereiche des Schweizer Engagements in Moldau abgestimmt.
Bundesrat Ignazio Cassis hat für das nächste Jahr Hilfe der Schweiz in Höhe von rund 25 Millionen Franken angekündigt. Das ist doppelt so viel wie vor Beginn des Kriegs gegen die Ukraine. Wie werden diese Mittel vor Ort eingesetzt?
Diese Erhöhung ist zunächst Ausdruck der kontinuierlichen Unterstützung der Schweiz für Moldau angesichts der schwierigen Lage im Land. Um die Kontinuität zu gewährleisten, werden die thematischen Prioritäten der Schweiz – d. h. Gesundheit, lokale Gouvernanz sowie Wirtschaft und Beschäftigung – im Wesentlichen beibehalten. Die zusätzlichen Mittel sollten es ermöglichen, wichtige Herausforderungen in diesen Bereichen anzugehen, z. B. die Förderung einer Reform der Notfalldienste und der Einrichtungen zur Rehabilitation. Ausserdem soll die Bekämpfung der Korruption im öffentlichen Sektor und in kleinen und mittleren Unternehmen unterstützt werden. Die Schweiz wird sich auch weiterhin in den drei Arbeitsgruppen der «Unterstützungsplattform für Moldau» engagieren, in denen sie Mitglied ist: humanitäre Hilfe, Korruptionsbekämpfung und Reform der öffentlichen Verwaltung/Verwaltung der öffentlichen Finanzen.