Training in der Schweiz stärkt internationale Missionen für den Frieden

An einer Übung des Swiss Peacebuilding Training Course sind Teilnehmende als UNO-Team im fiktiven Mikeland unterwegs. Mit ihren Geländewagen fahren sie durch verminte Gebiete und stehen in einem Lager für intern Vertriebene vor einem moralischen Dilemma. Auch wenn es sich nur um einen Ausbildungskurs handelt: Die hier erworbenen Fähigkeiten nützen den Teilnehmenden aus dem In- und Ausland bei ihren Einsätzen in der Friedensförderung.

Ein weisser Holzturm, mit der Flagge der UNO in einer idyllischen Berglandschaft rund um Stans.

In dieser Umgebung in Stans werden die Teilnehmenden des Swiss Peacebuilding Training Course mit den Problemen des fiktiven Mikeland konfrontiert. © EDA

Neben der geöffneten Türe eines weissen Jeeps liegt eine grüne Mine.
Das UNO-Team gerät in einem Waldstück in ein Minenfeld. © EDA

Der Schweizerische Expertenpool für zivile Friedensförderung (SEF) organisiert jährlich in Zusammenarbeit mit dem Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP), dem Forschungsinstitut swisspeace und dem Kompetenzzentrum für militärische Friedensförderung der Armee - SWISSINT den Swiss Peacebuilding Training Course (SPTC). Während zwei Wochen teilen zahlreiche Expertinnen und Experten mit den Kursteilnehmenden ihr Fachwissen in der Friedensförderung. Der Kurs fördert die Fähigkeitsentwicklung der Teilnehmenden aus dem In- und Ausland, die weltweit in Friedensförderungsmissionen entsandt werden. Der Kurs bietet theoretische und praktische Werkzeuge an, die die Teilnehmenden konkrekt am fiktiven Fallbeispiel Mikeland anwenden. In einer eintägigen Feldübung sind die Teilnehmenden in UNO-Teams auf Patrouillenfahrt in Mikeland. Ziel dieser Übung ist es, sie Stresssituationen auszusetzen, die in einem realen Feldeinsatz vorkommen können und die Theorie in der Praxis anzuwenden.

Auf Patroullienfahrt in Mikeland

Das UNO-Team ist auf dem Weg in ein Lager für intern Vertriebene. Der Geländewagen biegt in einen kleinen Wald ein. Plötzlich rennt aus dem Gebüsch ein blutüberströmter Mann auf den Wagen zu, zwingt den Fahrer zum Anhalten und ruft: «Es ist etwas passiert, kommt schnell! Wir brauchen Hilfe!». Die Ereignisse überschlagen sich. Das Team eilt dem Mann zuhilfe, dessen Bruder mit einer klaffenden Wunde am Oberschenkel am Steuer eines Autos sitzt. Schnell merken sie, dass sie sich in einem Minenfeld befinden. Das Team muss eine schwierige Entscheidung treffen: Erste Hilfe leisten oder ihre eigene Sicherheit priorisieren. 

Mikeland: Das Szenario des Swiss Peacebuilding Training Course

Mikeland ist gekennzeichnet von einem langjährigen Konflikt, in welchem nach langwierigen Verhandlungen die Konfliktparteien einen Waffenstillstand unterzeichnet haben. In dieses nach wie vor spannungsgeladene Umfeld hat die UNO eine Friedensoperation entsandt, um zur weiteren friedlichen Beilegung des Konflikts und für freie und faire Wahlen beizutragen. Doch im Moment gilt das Augenmerk der Zivilbevölkerung und dem Dialog mit den involvierten Parteien, um die Sicherheit und die Menschenrechte zu garantieren, die Waffenruhe zu überwachen sowie Vertrauen zwischend den verschiedenen Akteuren aufzubauen. 

Das Lager für intern Vertriebene

Vor einer hölzernen Baracke liegt eine schwangere Frau, die Blut verliert.
Ein Frau mit Schwangerschaftskomplikationen stellt das UNO-Team vor ein Dilemma. © EDA

Einmal im Lager für intern Vertriebene angekommen, sind die UNO-Expertinnen und Experten mit schwierigen Herausforderungen konfrontiert: Das Team wird nicht mit offenen Armen empfangen. Die Bewohner beklagen sich über die humanitäre Situation im Lager, es fehle an Wasser und an Essen. Die Stimmung kippt zunehmend. Der Ton wird aggressiver. Aus einem der oberen Stockwerke der Baracken ertönen Schreie.

Eine schwangere Frau hat grosse Mengen an Blut verloren und schwebt in Lebensgefahr. Die Lagerbewohner fordern vom UNO-Team die sofortige Evakuierung der Frau in ein Krankenhaus. Doch gemäss den strikten Vorschriften darf in UNO-Fahrzeugen nur UNO-Personal transportiert werden. Wieder steht das Team vor einem Dilemma: Sollen sie sich über die UNO-Vorschriften hinwegsetzen und die Frau im UNO-Fahrzeug evakuieren? Falls ja, wohin?

Selbstreflexion und kritisches Hinterfragen

In der eintägigen Übung lernen die Kursteilnehmenden ihre Grenzen auszuloten und sich Verhaltensformen anzueignen, die zur Risikominimierung beitragen können. Im gesamten Kurs werden die Teilnehmenden dazu sensibilisiert, ihre Arbeit kritisch zu hinterfragen und ungeachtet ihrer verschiedenen Hintergründe gemeinsam Lösungen zu finden. «Die meisten Teilnehmenden bestätigen den nachhaltigen Nutzen dieser Übungen und oft ist eine enorme Lernkurve zu beobachten», sagt die Ausbildungsverantwortliche des Schweizerischen Expertenpools für zivile Friedensförderung.

Am Ende des Kurses müssen die Teams einem ehemaligen Sonderbeauftragten des UNO-Generalsekretärs (SRSG) einen regionalen Aktionsplan über ausgewählte Themen wie Sicherheits-, Menschenrechts- oder Regierungsführungsfragen vorstellen. Der Sonderbeauftragte prüft den Plan und gibt den Teilnehmenden aufgrund der eigenen Erfahrungen als SRSG konkrete Rückmeldungen über die Stärken und Schwächen des erarbeiteten Aktionsplans. 

Was sind die Gründe für die Durchführung des Kurses?

Im Interview erklären Botschafter Simon Geissbühler, Chef der Abteilung Frieden und Menschenrechte des EDA, und Botschafter Thomas Greminger, Direktor des GCSP, die Vorteile der langjährigen Zusammenarbeit zwischen dem SEF und dem GCSP und den Zweck des Kurses im Rahmen der internationalen Friedensförderung.

Interview Simon Geissbühler, Chef Abteilung Frieden und Menschenrechte
Interview Thomas Greminger, Direktor des GCSP

Gut ausgebildetes Fachpersonal stärkt internationale Organisationen

Frieden und Sicherheit ist einer von vier Schwerpunkten der Aussenpolitischen Strategie 2020-2023 der Schweiz. Gut ausgebildete Expertinnen und Experten sind sowohl für die Organisationen als auch für sie selbst in ihrer beruflichen Funktion ein Gewinn. Um die Ziele in der Friedensförderung zu erreichen, empfiehlt die UNO, lokales Wissen besser einzubinden und zu fördern. Entsprechend legt die Schweiz auch ein besonderes Gewicht auf den Wissenstransfer. So lädt der SEF Expertinnen und Experten aus Krisengebieten zu ihren Kursen in die Schweiz ein. Gleichzeitig unterstützt der SEF Ausbildungszentren in Afrika, wie die École de Maintien de la Paix (EMP) in Mali oder das Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre (KAIPTC) in Ghana.

Die Schweiz kandidiert für einen Einsitz als nichtständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat 2023-2024. In diesem Gremium kann sie dieses langjährige Fachwissen und ihre Glaubwürdigkeit in der friedlichen Streitbeilegung zugunsten der Weltgemeinschaft einbringen.

Rückblick auf eine ausgezeichnete Zusammenarbeit

Hinter dem Swiss Peacebuilding Training Course steht eine langjährige Aufbau- und Koordinationsarbeit. Nach der Schaffung des Expertenpools durch den Bundesrat im Jahr 2000 wurde der Kurs kurz darauf lanciert. Er orientiert sich an internationalen Ausbildungsstandards und ermöglicht den Teilnehmenden eine Grundausbildung für ihre Arbeit in der zivilen und polizeilichen Friedensförderung.

Der Kurs wird auf dem Waffenplatz Will bei Stans-Oberdorf durchgeführt. Damit konkrete Herausforderungen in Konfliktgebieten so realistisch wie möglich simuliert werden können, werden die Feldübungen in Zusammenarbeit mit SWISSINT vom VBS durchgeführt.

Um für den Kurs das Fachwissen in der Friedensförderung umfassender zu nutzen, arbeitet der Expertenpool seit 2007 bei der Gestaltung und Durchführung des Kurses mit dem GCSP und swisspeace zusammen. Gleichzeitig wurde der Kurs auch für ausländische Teilnehmende geöffnet, um die Perspektiven auf die verschiedenen Kursthemen zu ergänzen und den Wissenstransfer zu fördern. 

Der Expertenpool für zivile Friedensförderung (SEF)

Sie beobachten den Waffenstillstand für die OSZE in der Ostukraine. Sie unterstützen die Polizei in der Demokratischen Republik Kongo im Rahmen der UNO-Mission bei der Aufklärung von Verbrechen. Sie helfen mit, das Knowhow in Ministerien und internationalen Organisationen auszubauen. Dies sind nur drei ausgewählte Bereiche, in denen Schweizer Expertinnen und Experten des SEF Ihr Wissen in der zivilen Friedens- und Menschenrechtsförderung weitergeben.

Jedes Jahr leisten rund 200 zivile Expertinnen und Experten mit unterschiedlichem Fachwissen in über 30 Ländern einen kürzeren oder längeren Einsatz für die UNO, OSZE, EU und weitere Organisationen, die Hälfte davon als Wahlbeobachterinnen und –beobachter. Im Durchschnitt sind rund 90 Personen gleichzeitig im Einsatz. Der Frauenanteil im Expertenpool liegt bei 40%. Im Rahmen ihrer Nachwuchsförderung unterstützt die Schweiz auch Einsätze junger Menschen in internationalen Organisationen.

Die Einsätze orientieren sich an den geografischen und thematischen Schwerpunkten der Schweiz im Bereich der Friedens- und Menschenrechtsförderung. Die schweizerischen Expertinnen und Experten werden je nach Bedarf für Einsätze von einigen Tagen bis zu mehreren Jahren zur Verfügung gestellt, etwa als Wahlbeobachter/innen und Polizeiberater/innen oder als Spezialisten/innen in den Bereichen Verfassungs- und Justizreform, Föderalismus, Mediation und Rechtsstaatlichkeit, Vergangenheitsarbeit oder Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht.

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