«Naturkatastrophen vorhersehen, um im Krisenfall Nothilfe zu leisten»
Ob Waldbrände im Amazonasbecken, Zugbahnberechnungen für Wirbelstürme oder saisonale Vorhersagen für die Landwirtschaft: Die Frühwarnsysteme der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) erleichtern Präventionsmassnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Naturkatastrophen. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 1. April 2020 beschlossen, ein neues Programm der WMO zu unterstützen, das Entwicklungs- und Schwellenländern helfen soll, besser auf die Herausforderungen des Klimawandels zu reagieren. Omar Bellprat, der seit zwei Jahren für die Humanitäre Hilfe der Schweiz tätig ist, berichtet aus Peru über seine Arbeit und die Bedeutung dieses Programms für die Lokalbevölkerung.
Omar Bellprat (stehend) wurde 2019 nach Bolivien entsandt, um die Behörden bei der Überwachung der Waldbrände im Amazonasbecken zu unterstützen. © DEZA
Herr Bellprat, welches sind Ihrer Meinung nach die Hauptziele des neuen Programms der Weltorganisation für Meteorologie (WMO)?
Das neue Programm der WMO wird es Entwicklungs- und Schwellenländern erlauben, besser mit den Herausforderungen des Klimawandels umzugehen. Wetter- und klimaabhängige Risiken führen bekanntlich immer wieder zu grösseren Katastrophen. Trotzdem ist der Zugang zu relevanten meteorologischen Dienstleistungen und Informationen in diesen Ländern manchmal schwierig. Die WMO möchte die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsländern stärken, um besser auf solche Herausforderungen reagieren zu können. Sie will konkret einen neuen Koordinationsmechanismus einrichten, der den Vereinten Nationen, den staatlichen Organisationen und den Nichtregierungsorganisationen Zugang zu Informationen und Fachwissen in den Bereichen Meteorologie und Klima verschafft.
Welches ist dabei Ihre Rolle als Schweizer Experte des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten?
Ich bin Mitglied des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) und arbeite derzeit in der Schweizer Botschaft in Peru. Ich gehöre einer regionalen Expertengruppe für Katastrophenvorsorge und Anpassung an den Klimawandel an. Die Gruppe wurde von der Humanitären Hilfe der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) geschaffen. Sie ist auch in Bolivien und Ecuador tätig. Wie wir letztes Jahr bei den dürrebedingten Waldbränden im Amazonasbecken feststellen konnten, sind Informationen über Klimarisiken in dieser Region von zentraler Bedeutung. Ein Teil meiner Arbeit besteht in der Überwachung von Klimarisiken. So können die lokalen Entscheidungsträger bei drohender Gefahr rechtzeitig informiert und gegebenenfalls mit den notwendigen Vorhersagen versorgt werden, falls eine Katastrophe nicht verhindert werden kann. Wir teilen diese Informationsplattformen auch mit den Schweizer Vertretungen in der Region.
Wie fügt sich Ihre Arbeit in die Schweizer Aussenpolitik ein?
In der Aussenpolitischen Strategie 2020–2023 des Bundesrates ist festgehalten, dass die Schweiz in der Katastrophenvorsorge ihre Partnerschaft mit Entwicklungsländern und relevanten regionalen Organisationen durch Informationsaustausch, Technologietransfer und Aufbau institutioneller Kapazitäten zur Risikominderung stärkt. Die Zusammenarbeit mit der WMO ist ein Beispiel dafür. Wir verfügen in der Schweiz, gerade was Naturgefahren angeht, über grosse Erfahrungen im Risikomanagement. Dieses Wissen können wir einbringen und dazu beitragen, dass die Analyse von Risiken besser wird und Verluste und Schäden dadurch vermindert werden können. Die Zusammenarbeit mit der WMO ist auch ein Beispiel dafür, welches Potenzial neue Technologien haben können. Neben der Katastrophenvorsorge setzt die Schweiz auch bei der Agrartechnik, der Gesundheitsversorgung, der Bekämpfung des Klimawandels oder beim Zugang zu Wasser auf dieses Potenzial. Unter dem Begriff «Tech4Good» werden hier innovative Lösungen gesucht und entwickelt.
Zurück zum neuen Programm der WMO: Warum ist eine internationale Koordination im Klimabereich so wichtig?
Private und öffentliche Institutionen verfügen über zahlreiche Informationen zu drohenden Klimarisiken wie Überschwemmungen, Dürren oder Tropenstürme. Es gibt jedoch nur wenige gemeinsame Plattformen oder offizielle Kanäle, auf denen diese Informationen zusammengeführt werden. Hier setzt Weather4UN an. Das Programm ermöglicht die Zusammenarbeit aller meteorologischen Dienste innerhalb der WMO unter der operationellen Leitung von MeteoSchweiz. Diese Kooperation wird dazu beitragen, die Auswirkungen des Klimawandels in den Entwicklungsländern zu mildern.
Wie und mit welchem Betrag beteiligt sich die Schweiz an diesem Projekt?
Die Schweiz wird einen Beitrag von 4,7 Millionen CHF an die Errichtung und den Betrieb eines Koordinationszentrums am Sitz des WMO-Sekretariats in Genf leisten. Dieses sammelt die Daten, die ihm von einem mit Unterstützung der WMO-Mitgliedstaaten geschaffenen Netzwerk von regionalen und nationalen Wetterdiensten übermittelt werden. Anschliessend leitet es die Daten an die jeweiligen Institutionen weiter. Die Schweiz wird ihren Beitrag im Rahmen der Pilotphase leisten, die bis 2023 dauert. Über das Eidgenössische Departement des Innern (MeteoSchweiz) und die DEZA wird sie technische Ressourcen sowie Expertinnen und Experten bereitstellen.
Warum ist der Beitrag der Schweiz so wichtig?
Viele Entwicklungs- und Schwellenländer verfügen nicht über die notwendige Infrastruktur, um meteorologische Informationen zu sammeln und zu verbreiten. Sie können diese Dienstleistungen nun vom neuen Koordinationszentrum beziehen.
Wie fügt sich dieser Beitrag in die bisherige Entwicklungshilfe ein, die die Schweiz bei Naturkatastrophen leistet?
Aus Sicht der Humanitären Hilfe sind Informationen zu Klimarisiken von zentraler Bedeutung. Ein klassisches Beispiel sind die Zugbahnberechnungen für Wirbelstürme. Damit können gefährdete Menschen rechtzeitig aus der Gefahrenzone evakuiert werden. In humanitären Krisen, wenn Menschen in Notunterkünften untergebracht sind, sind solche Informationen besonders wichtig.
Auch für eine nachhaltige Landwirtschaft sind Wetter- und Klimaprognosen wichtig. Im Rahmen des Projekts CLIMANDES unterstützt die DEZA zum Beispiel in den peruanischen Anden die Verwendung von saisonalen Vorhersagen in der Landwirtschaft. Dank diesen Informationen können sich die Bauern besser auf Dürre- oder Nässeperioden vorbereiten und Ernteverluste reduzieren. Weather4UN erlaubt es, solche Dienstleistungen einer Vielzahl von Ländern anzubieten.
Was macht die Weltorganisation für Meteorologie?
Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) ist eine zwischenstaatliche Organisation mit derzeit 193 Mitgliedstaaten – darunter die Schweiz, die durch MeteoSchweiz vertreten wird. Die in Genf ansässige Sonderorganisation der Vereinten Nationen ist in den Bereichen Meteorologie (Wetter und Klima), operationelle Hydrologie und Geophysik tätig.
Die WMO ist massgebend für alle Fragen im Zusammenhang mit dem Zustand und der Entwicklung der Erdatmosphäre, deren Interaktionen mit der Erdoberfläche, das durch sie entstehende Klima und Wetter sowie die resultierende Verteilung der Wasserressourcen.
Die WMO strebt eine weltweit führende Rolle in Bezug auf das Fachwissen und die internationale Zusammenarbeit in diesen Bereichen an. Dadurch will sie zur Sicherheit und zum Wohlergehen aller Menschen sowie zur Förderung des wirtschaftlichen Wohlstands aller Länder beitragen.