Atomare Bedrohung – Schweiz fordert Massnahmen

Die atomare Bedrohung war allgegenwärtig im Kalten Krieg und ist nach wie vor real, wie uns Entwicklungen im Zusammenhang mit der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine vor Augen führen. Der Atomwaffensperrvertrag aus dem Jahr 1968 ist die Grundlage für die Abrüstung und Nichtverbreitung von Nuklearwaffen. An der Überprüfungskonferenz des Vertrags vom 1. – 26. August 2022 in New York fordert Bundespräsident Ignazio Cassis konkrete Massnahmen vor dem Hintergrund stagnierender Abrüstung.

03.08.2022
Der Pilz einer Atombombendetonation steigt in den Himmel.

Die nukleare Bedrohung ist nach wie vor real. Tausende Atomwaffen können jederzeit gezündet werden. © Keystone

13'000 Nuklearwaffen sind noch immer im Arsenal der neun Atommächte, darunter die offiziellen USA, Russland, Frankreich, China und Grossbritannien. Diese Feuerkraft entspricht der 2000-fachen aller im Zweiten Weltkrieg abgefeuerten Bomben und Geschosse. Dies übersteigt ein Vielfaches, um die gesamte Menschheit auszulöschen und den Planeten zu zerstören. «Wir alle wissen, dass jeder Einsatz von Atomwaffen katastrophale humanitäre Folgen hätte. Und alles deutet darauf hin, dass es unwahrscheinlich ist, dass Atomwaffen jemals im Einklang mit den Prinzipien und Regeln des humanitären Völkerrechts eingesetzt werden könnten», unterstreicht Bundespräsident Ignazio Cassis.

Jeder Einsatz von Atomwaffen hätte katastrophale humanitäre Folgen. Es ist unwahrscheinlich, dass Atomwaffen jemals im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht eingesetzt werden könnten.
Bundespräsident Ignazio Cassis

Abrüstung stagniert weltweit

Vor 60 Jahren entging die Welt knapp an einer nuklearen Apokalypse. Im Oktober 1962 starrte die Menschheit gebannt auf Kuba, wo die Sowjetunion anfing Atomraketen zu positionieren als Antwort auf stationierte US-Raketen in der Türkei. Das nukleare Wettrüsten zwischen der UdSSR und den USA nahm immer bedrohlichere Züge an. Zudem begannen weitere Staaten sich für nukleare Waffen zu interessieren Vor diesem Hintergrund wurde 1968 der Atomwaffensperrvertrag (Non-Proliferation Treaty, NPT) abgeschlossen, der im Jahr 1970 in Kraft trat. Damit wurde die Grundlage für das weltweite nukleare Abrüsten gelegt. 191 Staaten – darunter die fünf offiziellen Atommächte – haben den NPT bis heute unterzeichnet. Der Vertrag baut auf drei Pfeiler:

  1. Er verbietet den fünf offiziellen Atommächten die Weitergabe von Nuklearwaffen und den anderen Vertragsstaaten deren Entwicklung, Produktion und Erwerb.
  2. Bestehende Kernwaffenarsenale sollen abgerüstet werden.
  3. Das Recht auf friedliche Nutzung von Atomenergie soll allen Vertragsstaaten möglich sein. 
Eine weisse Uhr zeigt 100 Sekunden vor Mitternacht an.
100 Sekunden vor Mitternacht: Die Doomsday Clock, herausgegeben von Atomwissenschaftlern, zeigt wie hoch das Risiko eines Atomkriegs ist. So hoch wie jetzt war es noch nie. © Keystone

Vom Höchststand der 1970er Jahre, als 70'000 Atomwaffen in Raketensilos oder auf U-Booten jederzeit hätten abgefeuert werden können, sind wir heute weit entfernt. Doch die nukleare Abrüstung stagniert seit einigen Jahren. Tausende Kernwaffen sind noch immer einsatzbereit. Und vermehrt wird wieder in die Produktion von Atomwaffen investiert. Russlands militärische Aggression gegen die Ukraine und seine nuklearen Drohungen erschweren Verhandlungen über Abrüstung zusätzlich.

Ignazio Cassis fordert in New York konkrete Massnahmen

Alle fünf Jahre überprüfen die Vertragsstaaten des NPT unter dem wachsamen Auge der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) die Umsetzung und Einhaltung des Atomwaffensperrvertrags. Zwischen dem 1. und 26. August 2022 treffen sich in New York die Vertragsstaaten zur Überprüfungskonferenz, die aufgrund von Covid-19 mehrfach verschoben werden musste. Die Erwartungen an die Konferenz sind hoch. Die Schweiz bietet sich als Partnerin für kompromissfähige Lösungen an.

Wir müssen die Rolle von Atomwaffen reduzieren und die Wahrscheinlichkeit eines nuklearen Unfalls oder eines Einsatzes infolge eines Missverständnisses verringern.
Bundespräsident Ignazio Cassis

«Diese Konferenz muss die Weichen für einen dringend notwendigen Wandel stellen: Wir müssen die Rolle von Atomwaffen reduzieren und die Wahrscheinlichkeit eines nuklearen Unfalls oder eines Einsatzes infolge eines Missverständnisses verringern. Den Worten müssen konkrete Taten folgen, um humanitäre und ökologische Katastrophen abzuwenden», sagte Bundespräsident Cassis an der Eröffnung der Konferenz.

Umsetzung des Atomwaffensperrvertrags bedeutet Sicherheit für die Schweiz

Die Schweiz, die dem Atomwaffensperrvertrag 1976 ratifiziert hat, priorisiert an der Konferenz drei Bereiche: Erstens setzt sie sich für praktische Abrüstungsmassnahmen ein. Sie hat im Vorfeld der Konferenz zahlreiche konkrete Vorschläge zur Verringerung der Risiken von Atomwaffen eingereicht. Zweitens soll die globale Nichtverbreitungsnorm gestärkt werden, beispielsweise durch Überprüfungen der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO). Drittens soll die friedliche Nutzung von Nuklearenergie unter strengen Sicherheitsauflagen garantiert bleiben.

Das Engagement der Schweiz zielt darauf ab, nukleare Sicherheit für die Weltgemeinschaft und somit auch für die Schweiz zu gewährleisten. Die Schweiz misst der nuklearen Abrüstung und der Unterbindung der Verbreitung von Kernwaffen eine zentrale Rolle bei, denn die Erhaltung des Friedens und der internationalen Sicherheit sind Prioritäten ihrer Aussenpolitischen Strategie 2020-2023.

Zurück auf den Pfad der Abrüstung

Die stagnierende Abrüstung unterstreicht, dass der Atomwaffensperrvertrag sein Abrüstungsziel noch nicht erreicht hat. Vor diesem Hintergrund ist im Januar 2021 ein weitergehender Vertrag, der Kernwaffenverbotsvertrag (TPNW), in Kraft getreten. Die Schweiz hat dieses Verbot vorerst nicht unterzeichnet, weil sie offene Fragen hat zur Wirksamkeit des neuen Vertrags und seinem Zusammenspiel mit dem NPT. Das Ergebnis der laufenden Überprüfungskonferenz ist ein wichtiger Aspekt für die Neubeurteilung der Position der Schweiz zum Vertrag über das Verbot von Kernwaffen. Die Schweiz will zu einem konstruktiven Verhältnis zwischen dem Atomwaffensperrvertrag und dem Kernwaffenverbotsvertrag beitragen. Denn beide teilen das gleiche Ziel: Eine Welt ohne Atomwaffen. 

Wir appellieren daher an die Nuklearstaaten, auf die nukleare Aufrüstung und die Zurschaustellung von Atomwaffenarsenalen zu verzichten und auf den Pfad der Rüstungskontrolle und Abrüstung zurückzukehren.
Bundespräsident Ignazio Cassis

«Wir appellieren daher an die Nuklearstaaten, auf die nukleare Aufrüstung und die Zurschaustellung von Atomwaffenarsenalen zu verzichten und auf den Pfad der Rüstungskontrolle und Abrüstung zurückzukehren», sagte Bundespräsident Cassis in New York. Denn das Risiko einer nuklearen Katastrophe wird bis zur Demontage der letzten Atomwaffe bestehen bleiben.

Atommächte im UNO-Sicherheitsrat

Die fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats sind gleichzeitig auch die fünf offiziellen Atommächte. Als nichtständiges Sicherheitsratsmitglied in den Jahren 2023-2024 hat die Schweiz Gelegenheit, den Dialog zu pflegen und Schweizer Interessen im Bereich der Abrüstung und Nichtverbreitung von Atomwaffen zu betonen. 

Zum Anfang