Zivilbevölkerung im Krieg schützen
Die jüngsten bewaffneten Konflikte zeigen erneut, wie die Zivilbevölkerung in besiedelten Gebieten unter den Auswirkungen der Kampfhandlungen leidet. Der Einsatz von Waffen mit grosser Sprengkraft ist dabei besonders verheerend, weshalb die Schweiz eine politische Erklärung zum Thema unterstützt. Der Schutz der Zivilbevölkerung ist auch eine der Prioritäten der Schweiz während ihrem Einsitz als nichtständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat 2023/24.
Russischer Raketenbeschuss in der ukrainischen Stadt Mariupol zerstörte zahlreiche zivile Wohnkomplexe. © Keystone
«30 Zivilisten durch Raketenangriff getötet». Solche Mitteilungen erreichen uns seit Monaten aus der Ukraine. Dort, aber auch in anderen Kriegsgebieten wie im Jemen oder Syrien, leidet die Zivilbevölkerung, wenn Kampfhandlungen in Städten ausgetragen werden. Oft werden Waffen eingesetzt, die ursprünglich für den Einsatz auf offenen Schlachtfeldern konzipiert wurden. Wenn diese in besiedelten Gebieten verwendet werden, sind die direkten und indirekten Auswirkungen für Menschen verheerend. Waffen mit hoher Sprengkraft und/oder fehlender Genauigkeit fordern in besiedelten Gebieten oft eine grosse Zahl von Toten und Verletzten – insbesondere in der Zivilbevölkerung.
Explosivwaffen zerstören in besiedelten Gebieten aber auch kritische Infrastruktur. Dazu gehören insbesondere die Energie- und Wasserversorgung. Ihr Ausfall kann den Unterbruch weiterer Dienstleistungen verursachen, wie z.B. der medizinischen Versorgung oder von Bildungseinrichtungen, meist über längere Zeit. Angriffe mit Explosivwaffen führen so zu Leiden weit über das Einschlagsgebiet hinaus und können schliesslich auch zu Fluchtbewegungen führen.
Eine politische Erklärung für einen besseren Schutz
Die Frage, wie die Zivilbevölkerung in Städten besser vor Explosivwaffen geschützt werden kann, beschäftigt die Staatengemeinschaft schon seit Jahren. 2019 lancierte Irland einen Prozess, um eine politische Erklärung auszuarbeiten, die eine bessere Umsetzung des humanitären Völkerrechts anstrebte. Die Schweiz nahm aktiv an den Verhandlungen teil. Sie hat dazu beigetragen, dass die Erklärung einerseits konkrete Massnahmen beinhaltet, anderseits auch von militärisch bedeutenden Staaten, wie Frankreich oder den Vereinigten Staaten, unterstützt wird. Die Deklaration ist rechtlich nicht bindend. Die Staaten erklären sich jedoch bereit, ihre militärischen Grundlagen und Handlungsanweisungen zu überprüfen und wenn nötig anzupassen. Zudem sollen bewährte Praktiken entwickelt und bei regelmässigen Expertentreffen ausgetauscht werden, um die Zivilbevölkerung besser vor Explosivwaffen zu schützen. Die Schweiz trägt diese politische Erklärung mit und nahm unter Delegationsleiter Simon Geissbühler, Chef der Abteilung Frieden und Menschenrechte, an der Verabschiedungszeremonie am 18. November 2022 in Dublin teil.
Fortdauernder Einsatz für den Schutz der Zivilbevölkerung
Im Einklang mit ihrer humanitären Tradition und den Verpflichtungen aus dem humanitären Völkerrecht setzt sich die Schweiz in ihrer Aussenpolitik für den Schutz der Zivilbevölkerung ein. Seit 2007 leitet die Schweiz beispielsweise im Rahmen der Vereinten Nationen in New York eine Freundesgruppe zum Schutz der Zivilbevölkerung, die sich aus 27 Staaten zusammensetzt. Die Gruppe begleitet den UNO-Sicherheitsrat in diesem Thema kritisch-konstruktiv. Die Schweiz koordiniert die Arbeiten und beteiligt sich im Namen der Gruppe an offenen Debatten des Sicherheitsrats. Der Schutz der Zivilbevölkerung ist auch eine der vier Prioritäten der Schweiz für ihre Mitgliedschaft im Rat in den Jahren 2023/24. Im Fokus stehen dabei unter anderem die Stärkung des Respekts des humanitären Völkerrechts durch alle Konfliktparteien, der Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten oder die Suche nach vermissten Personen.
Schweiz geht mit gutem Beispiel voran
Das Schweizer Engagement für die bessere Umsetzung des humanitären Völkerrechts beschränkt sich nicht nur auf die internationale Diplomatie. Auch in der Schweizer Armee wird die Einhaltung des humanitären Völkerrechts und der Schutz der Zivilbevölkerung konsequent in die militärischen Ausbildungsprogramme integriert. So müssen alle Armeeangehörigen einen Grundkurs im humanitären Völkerrecht abschliessen. Die Schweizer Armee nutzt dabei verschiedene praktische Instrumente, darunter ein E-Learning-Programm. Kaderangehörige absolvieren darüber hinaus eine vertiefte Ausbildung im Bereich Einsatzrecht. Zuletzt verfügen alle Grossen Verbände (Brigaden und Divisionen) über einen Rechtsberater in ihren Stäben.
Schutz der Zivilbevölkerung: Ein Schweizer Schwerpunkt für den UNO-Sicherheitsrat
Der Bundesrat hat am 31. August 2022 vier thematische Prioritäten für den Schweizer Einsitz im UNO-Sicherheitsrat 2023/24 verabschiedet. Diese sind:
- Nachhaltigen Frieden fördern
- Zivilbevölkerung schützen
- Klimasicherheit angehen
- Effizienz stärken
Der Einsitz der Schweiz als nichtständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat ist die konsequente Fortsetzung ihres Engagements für Frieden und Sicherheit auf globaler Ebene. Der Bundesrat reichte die Schweizer Kandidatur 2011 nach umfangreichen Konsultationen mit dem Parlament ein. Gemäss der Bundesverfassung leistet die Schweiz einen Beitrag zum friedlichen Zusammenleben der Völker und wirkt beim Aufbau einer gerechten internationalen Ordnung mit. Dies ist auch erklärtes Ziel des UNO-Sicherheitsrats. Und es ist auch von hoher Bedeutung für ein so stark globalisiertes Land wie die Schweiz, das auf stabile Verhältnisse mit klaren internationalen Regeln angewiesen ist. Frieden und Stabilität sind für Prosperität und Entwicklung unerlässlich. Die UNO-Generalversammlung hat am 9. Juni 2022 die Schweiz als nichtständiges Mitglied in den UNO-Sicherheitsrat gewählt. Das zweijährige Mandat dauert vom 1. Januar 2023 bis zum 31. Dezember 2024.