«Ich bin erleichtert, dass wir wieder in der Schweiz sind»
Alle Schweizer EDA-Mitarbeitenden sind aus Kabul zurück in der Schweiz. Es geht ihnen den Umständen entsprechend gut. Nun helfen Sie in der Krisenzelle des KMZ mit, ihre lokalen Kolleginnen und Kollegen sowie deren Familien in die Schweiz zu bringen. Ein Interview mit der Leiterin der Schweizer Vertretung in Kabul, Afghanistan.
Walburga Roos, Leiterin der Schweizer Vertretung in Kabul, Afghanistan. © EDA
Frau Burgi Roos, Sie sind vor rund eineinhalb Tagen zurück aus Kabul in der Schweiz angekommen. Beschreiben Sie: Wie haben Sie diese letzten Stunden erlebt?
Es waren sehr intensive und emotionale Tage. Gemeinsam mit dem Team musste ich die Situation laufend analysieren und unsere Arbeiten entsprechenden anpassen. Ohne ein vollständiges Lagebild zu haben, galt es, Entscheide zu fällen, die für uns alle Konsequenzen hatten. Wir waren alle vom Tempo der Entwicklungen überrascht. In dieser herausfordernden Situation mussten wir nicht nur mit unseren eigenen Unsicherheiten umgehen, sondern auch mit den Gefühlen und Reaktionen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie unserer Partner und Bekannten. Man kann sich ja nicht wirklich auf so etwas vorbreiten. So war es mir wichtig, dass ich als Chefin und als Mensch präsent und handlungsfähig bleibe.
Im Moment mischen sich bei mir drei Gefühlslagen: Ich bin erleichtert, dass nun alle sechs Schweizer Mitarbeitenden des Kooperationsbüros wohlbehalten in ihrer Heimat sind. Gleichzeitig sorge ich mich um unsere afghanischen Kolleginnen und Kollegen und ihre Familien und um alle anderen Afghaninnen und Afghanen, die sich in ihrem Land zurzeit bedroht fühlen. Und ich bin dankbar für alle Unterstützung, die wir bekommen haben: Vom EDA unter der Leitung des KMZ und dem Staatssekretariat für Migration in Bern, von unseren Botschaften in Pakistan, Usbekistan und Katar und vor allem auch von unseren «Evakuationspartnern». Auf allen Stufen und in allen Ländern haben sich alle sehr zuvorkommend um uns gekümmert und uns unterstützt.
Mit Ihnen wurden am vergangenen Sonntag insgesamt zwei weitere Schweizer Staatsangehörige aus dem Kooperationsbüro in Kabul evakuiert. Wie geht es ihnen?
Den Umständen entsprechend gut. Wir haben diese schwierige Situation als Team gemeistert! Jeder und jede hat Verantwortung übernommen. Die wichtigsten Entscheide haben wir gemeinsam abgesprochen. Jeder hat sich für den andern eingesetzt. Alles lief sehr kollegial und äusserst professionell.
Ich nahm am Mittwoch, 18. August an der Krisenstabsitzung des KMZ in Bern teil. Ich bin beeindruckt, dass meine beiden Kollegen tags darauf nach einer kurzen Erholungsphase schon wieder Aufgaben im Krisenteam übernommen haben. Sie wollen mithelfen und ermöglichen, unsere Lokalangestellten und Ihre Familien, aber auch Schweizer Staatsangehörige, die sie sich noch in Afghanistan aufhalten, sicher in die Schweiz zu bringen.
Sie waren in diesen letzten Tagen intensiv im Austausch auch mit Vertretungen anderer Länder in Kabul. Bezüglich Evakuierung haben Kooperationen stattgefunden. Wie muss man sich das vorstellen?
Wir haben uns schon frühzeitig mit Partnerstaaten koordiniert und abgesprochen. In den letzten Tagen wurde dieser Kontakt dann intensiviert. Wir wussten, dass wir im Krisenfall ins Dispositiv dieser Partner aufgenommen werden. Am Samstag war es dann so weit. Wir konnten uns den deutschen Kollegen anschliessen. Sobald wir physisch in der deutschen Botschaft waren, standen wir unter der Einsatzleitung Deutschlands. Erst auf europäischem Boden waren wir wieder auf uns selbst gestellt. Wir sind allen unseren amerikanischen und deutschen Kolleginnen und Kollegen für die Unterstützung bei der Ausreise zu grossem Dank verpflichtet.
Burgi Roos, Leiterin Schweizer Vertretung in Kabul
Burgi Roos ist seit diesem Sommer Leiterin der Schweizer Vertretung in Kabul, Afghanistan, und zwar als Direktorin für Zusammenarbeit und Konsulin. Zuvor hat sie seit 2016 als Direktorin der Zusammenarbeit und Konsulin die Schweizer Vertretung in Duschanbe (Tadschikistan) geleitet. Vorher war sie in der DEZA-Zentrale in Bern verantwortlich für die schweizerischen Entwicklungs- und humanitären Programme im Nahen Osten, in Nordafrika, Iran und auf der arabischen Halbinsel (Jemen), von 2011–2014 als Abteilungsleiterin. 2001–2003 hat sie für die damalige Bundesrätin Ruth Dreifuss Reden geschrieben und öffentliche Veranstaltungen organisiert. Doktortitel in moderner arabischer Literatur, Studium der Geschichte des Islam und von arabischer Literatur an der Universität in Genf (Schweiz) und der Universität Oxford (UK). Geboren und aufgewachsen in Luzern (Schweiz).