29.11.2022

Ansprache von Bundespräsident Ignazio Cassis und Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) anlässlich des Staatsbesuchs des Präsidenten der Italienischen Republik, Sergio Mattarella - Es gilt das gesprochene Wort

Rednerin/Redner: Departementsvorsteher, Ignazio Cassis

Herr Staatspräsident

Frau Mattarella

Herr Vizeministe

Exzellenzen

Liebe Bundesratskolleginnen und –kollegen

Meine Damen und Herren

Im Namen des Bundesrates und des Schweizervolkes heisse ich Sie, Herr Präsident, Ihre Tochter und Ihre Delegation ganz herzlich in der Schweiz willkommen.

Es ist uns eine sehr grosse Freude, Sie zu diesem Staatsbesuch zu empfangen.

1.  Eine Verbindung, die Berge niederreisst

Ich möchte hoch oben ansetzen, bei den Bergen, über die Sie geflogen sind auf dem Weg hierher, auf Ihrer Reise von der Ewigen Stadt in die Bundesstadt (die korrekte Bezeichnung für unsere «Hauptstadt»).

Die Alpen mögen uns zuweilen als unüberwindbare Hürde vorkommen, die Nord- und Südeuropa trennt, als Hindernis, welches Kulturen, Sprachen und Mentalitäten trennt, die oft sehr unterschiedlich sind.

In Wirklichkeit aber ist der Alpenbogen nichts Spaltendes. Er ist ein Scharnier, das nicht trennt, sondern vielmehr vereint und stärkt.

Seit jeher hat der Mensch versucht, die Alpen zu überqueren, angetrieben vom Verlangen zu wissen, was sich auf der anderen Seite versteckt, und um Waren, Ideen und Erfahrungen auszutauschen.

Die Schweiz ist denn auch entstanden als Bund von sehr unterschiedlichen Gemeinschaften um das Alpenmassiv herum. Diese Vielfalt der Kulturen liegt in unserer DNA und erlaubt es uns, starke und bereichernde Beziehungen zu unseren Nachbarn Italien, Deutschland und Frankreich zu unterhalten.

Ein historischer Moment für die Schweiz und für Italien war der Bau des Eisenbahntunnels durch den Gotthard Ende des 19. Jahrhunderts. Diese nicht nur geografische, sondern auch symbolische Verbindung, für die sich unsere beiden Länder stark eingesetzt haben, verdanken wir zu einem grossen Teil den italienischen Mineuren. Es waren enorme menschliche Anstrengungen und Opfer nötig, bis der Tunnel 1882 eröffnet werden konnte. Ein Bauwerk, das auch die Schweizer Landesversorgung vereinfachte, weil der Hafen von Genua leichter zugänglich wurde.

Nach dem Eisenbahn- kam der Autobahntunnel und danach die neue Schnellstrecke durch den Gotthard-Basistunnel, dem längsten Eisenbahntunnel der Welt. Damals wie heute werden wir nicht müde, sozusagen die Berge abtragen zu wollen und so Norden und Süden einander näher zu bringen und die Verbindungen zwischen unseren Ländern zu festigen.

2. Die Solidarität in unserer gemeinsamen Geschichte

Herr Präsident

Das Verhältnis zwischen der Schweiz und Italien ist auch von grosser Solidarität geprägt. Als Beleg dafür nur ein Beispiel: das «Villaggio Svizzero», das «Schweizer Dorf», in Messina. Dieses erinnert an eine der schlimmsten Tragödien, die die Stadt je heimgesucht haben, das fürchterliche Erdbeben, das die Provinzen Messina und Reggio Calabria am 28. Dezember 1908 erschütterte.

Dies ist eines der ältesten Beispiele internationaler Solidarität nach einer Naturkatastrophe. Die Schweiz, eines der Geberländer, errichtete ein Stadtviertel aus Chalets, von denen jedes den Namen eines Schweizer Kantons trug.

Es war auch der erste humanitäre Einsatz des Schweizerischen Roten Kreuzes in Friedenszeiten.

Das Rote Kreuz gehört mit Sicherheit zu den Einrichtungen, auf die wir Schweizerinnen und Schweizer am stolzesten sind. Auch das Rote Kreuz verbindet unsere beiden Länder, denn es ist das Resultat eines Stücks schweizerisch-italienischer Geschichte.

Während des Zweiten italienischen Unabhängigkeitskrieges, der mit dem Frieden von Zürich am 10. November 1859 beendet wurde, besuchte Henry Dunant das Schlachtfeld in Solferino und schrieb darüber einen Bericht.

Dieser Bericht führte dann 1863 zur Gründung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, das bis heute in der ganzen Welt den Personen Hilfe leistet, die unter den so zahlreichen Konflikten der Menschheit besonders leiden. Heute noch werden das Schweizerkreuz und das Emblem des IKRK oft miteinander verwechselt.

3. Der Reichtum der Italianità

Meine Damen und Herren

Lassen Sie mich nun über diese grossen geschichtlichen Ereignisse hinaus den Einfluss hervorheben, den Tausende von Italienerinnen und Italienern auf die Geschichte der Schweiz hatten und immer noch haben.

Insbesondere während der Jahre des Wirtschaftswunders in der Nachkriegszeit hat Ihr Volk – Herr Präsident – wie kein anderes zum Erfolg der Schweiz beigetragen.

Die Italienerinnen und Italiener bilden bis zum heutigen Tag die grösste ausländische Bevölkerungsgruppe in der Schweiz – und die drittgrösste italienische Gemeinschaft ausserhalb Italiens lebt in der Schweiz. Ein wertvoller Faktor, der die Italianità gestärkt hat, die in der DNA der Schweiz bereits vorhanden war.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen und die über 80 000 italienischen Staatsangehörigen grüssen, die als Grenzgängerinnen und Grenzgänger in der Schweiz arbeiten und einen wesentlichen Beitrag zum Wohlstand der Schweiz und Italiens leisten.

Wir wissen alle, dass dies für die Grenzregionen nicht immer einfach ist, aber die Fortschritte in den letzten Jahren zeigen, dass der Wille da ist, befriedigende Lösungen für beide Seiten zu finden.

4. Vereint in den Krisen

Neben der geografischen Nähe, neben den persönlichen, den familiären, den sprachlichen, den wirtschaftlichen, den geschichtlichen und den kulturellen Verbindungen sind unsere beiden Länder auch durch gemeinsame Werte verbunden.

Dies spüren wir ganz besonders in den schwierigsten Momenten, in Krisenzeiten. Vereint haben wir die Covid-19-Pandemie bekämpft, die in unseren beiden Ländern so viele Menschenleben gekostet hat.

Vereint treten wir der Zerstörung entgegen, die der von Russland ausgelöste Krieg in der Ukraine verursacht, ein Konflikt, der die Grundfesten der Sicherheit unseres Kontinents, Europa, bedroht.

Und vereint müssen wir auch den Herausforderungen der Klimaerwärmung begegnen, die auch den Gletschern in unseren Bergen heftig zusetzt und damit den Wasserhaushalt aus dem Gleichgewicht bringt.

Letzten Donnerstag (24.11. in Trento) hat die Schweiz von Italien den Vorsitz der EUSALP übernommen, ein Beweis für unseren Willen, ganz konkret zusammenzuarbeiten.

5. Schluss

Herr Präsident

Die wenigen Minuten hier reichen nicht aus, um die historischen Ereignisse und die unauflösbaren Verbindungen, die unsere gemeinsame Geschichte geprägt haben, in ihrer ganzen Tiefe zu erfassen.

Ich wünsche mir, dass dieser Besuch ein weiterer Meilenstein sein möge für unsere Beziehungen in den kommenden Jahren und dass er unsere Verbindungen weiter stärkt und so zur Weiterentwicklung Ihrer und unserer gegenseitigen Interessen beiträgt.

Für mich und für alle Mitglieder des Bundesrates ist es eine ausserordentliche Ehre, Sie und Ihre Delegation empfangen zu dürfen.

Herzlich willkommen in der Schweiz!


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Herausgeber:

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Letzte Aktualisierung 29.01.2022

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