Moderne usbekische Entbindungsstationen dank Rückerstattung eingezogener Vermögenswerte

Die Schweiz erstattet Usbekistan eingezogene, unrechtmässig erworbene Vermögenswerte zurück. Über einen UNO-Treuhandfonds, den «Uzbekistan Vision 2030 Fund», den die Schweiz und Usbekistan gemeinsam mit der UNO geschaffen haben, kommen die gestohlenen Gelder der Bevölkerung Usbekistans wieder zugute: Gesundheitseinrichtungen für werdende Mütter werden für 43,5 Millionen US-Dollar modernisiert werden. Der Schweizerische Botschafter in Taschkent, Konstantin Obolensky, im Interview.

Operationssaal mit medizinischem Personal während einer Geburt.

Dank zurückerstatteter Vermögenswerte aus der Schweiz konnten usbekische Entbindungsstationen modernisiert werden. © DEZA

Trotz Reformen im Gesundheitssystem bestehen in Usbekistan nach wie vor grosse Bedürfnisse in der Gesundheitsversorgung wie beispielsweise in den Bereichen Infrastruktur und Fachkompetenz. Das Projekt des «Uzbekistan Vision 2030 Fund» soll die Infrastruktur für die Gesundheit von Müttern und Säuglingen verbessern. Der Fonds wird finanziert durch eingezogene Vermögenswerte, die unrechtmässig erworben wurden.

Die ersten der 230 Entbindungsstationen konnten zwischen März und April 2025 mit moderner Ausstattung ausgerüstet werden. Eine davon, komplett renoviert, befindet sich in Almalyk, einer Stadt etwa 60 Kilometer von der Hauptstadt Taschkent entfernt.

In Begleitung der Vertreterin der Vereinten Nationen in Usbekistan und der usbekischen Behörden konnte sich der Schweizerische Botschafter in Usbekistan, Konstantin Obolensky, vor Ort ein Bild von den Fortschritten machen und berichtet vom Projekt: 

Portrait von Botschafter Konstantin Obolensky
Botschafter Konstantin Obolensky © Olga Otchenasheva

Die restituierten Vermögenswerte kommen der usbekischen Bevölkerung zugute. Wer entscheidet, welche Projekte damit finanziert werden?

Die Entscheidung über die Verwendung der Vermögenswerte wird im Konsens innerhalb des Verwaltungsausschuss des «Usbekistan Vision 2030 Fund» getroffen, in dem die Schweiz, Usbekistan und die UNO vertreten sind. Als Botschafter in Usbekistan vertrete ich die Schweiz in diesem Gremium. Dieser Ausschuss legte zunächst zwei Schwerpunkte für die Projekte fest: Gesundheit und Bildung. Mit mehr als 900 000 Geburten pro Jahr und einer sehr jungen Bevölkerung, in welcher fast jede dritte Person jünger als 14 Jahre alt ist, sind die Bedürfnisse im Gesundheits- und Bildungsbereich in Usbekistan erheblich. Nach Festlegung dieser beiden Schwerpunkte wählte der Ausschuss ebenfalls im Konsens die konkreten Projekte aus, die finanziert werden sollten.

Wer setzt die Projekte um? Wie stellt die Schweiz sicher, dass die Vermögenswerte nicht erneut veruntreut werden? Ist die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit an der Umsetzung beteiligt?

Die Projekte werden von UNO-Organisationen (UNICEF, UNFPA, WHO, UNESCO) durchgeführt, die über langjährige Erfahrung in Usbekistan verfügen und auf ihr weltweites Know-how zurückgreifen können. Sie setzen die Projekte nach UNO-Standards und -Verfahren um, die entsprechend den Besonderheiten dieser Rückerstattung verschärft wurden. Die Begünstigten der Projekte (insbesondere betroffene Familien, junge Mütter usw.) haben die Möglichkeit, etwaige Unregelmässigkeiten bei den entsprechenden UNO-Agenturen zu melden, wo ein Follow-up sichergestellt ist.

Der «Usbekistan Vision 2030 Fund» wird aus Vermögenswerten finanziert, die in Strafverfahren in der Schweiz endgültig eingezogen wurden, weil sie durch Korruption illegal erworben worden waren. Sie gehören dem usbekischen Volk. Demgegenüber wird die  Schweizer Entwicklungszusammenarbeit von den Schweizer Steuerzahlenden finanziert. Aus diesem Grund führt nicht die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) die Rückführungsprojekte durch.

Durch die konstruktive Zusammenarbeit mit den usbekischen Behörden und der UNO haben wir einen innovativen und transparenten Fonds geschaffen, der einen konkreten Beitrag zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele in Usbekistan leistet. Über den Fonds kommen die Gelder aus der Restitution der Bevölkerung Usbekistans zugute.
Bundesrat Ignazio Cassis, am Tag der Unterzeichnung des Restitutionsabkommens zwischen der Schweiz und Usbekistan, 16.08.2022

Ist auch die usbekische Zivilgesellschaft beteiligt? Welche Rolle spielt sie?

Ja, eines der Gremien des Fonds ist ein Ausschuss, der sich aus Vertretenden von 17 usbekischen und zwei internationalen zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammensetzt. Dieser Ausschuss wird bei der Auswahl der Projekte konsultiert, überwacht unabhängig deren Fortschritte und hat Zugang zu allen dem Verwaltungsausschuss vorgelegten Unterlagen. Die Einbeziehung der Zivilgesellschaft trägt zur Effizienz und Transparenz des Fonds bei.

Wie wird die Rückerstattung in Usbekistan wahrgenommen?

Die Rückerstattung ist für die usbekische Regierung und die Öffentlichkeit sehr wichtig, insbesondere da es sich in diesem Fall um einen so hohen Betrag handelt. Die Prioritäten der Rückerstattung entsprechen denen des Reformprogramms der usbekischen Regierung. Die renovierte und neu ausgestattete Entbindungsstation, die ich heute besucht habe, ist ein greifbares Ergebnis des Restitutionsfonds, von dem bereits viele Mütter und Neugeborene profitieren und damit ganze Familien. Dies ist sehr positiv und unterstreicht die Vorzüge dieser Projektwahl. Die Erfahrungen, die der Fonds mit diesem ersten Projekt sammeln wird, werden nützlich sein, um sicherzustellen, dass auch künftige Projekte eine grosse Wirkung erzielen.

Die Rückerstattung ist für die usbekische Regierung und der Öffentlichkeit sehr wichtig, insbesondere da es sich in diesem Fall um einen so hohen Betrag handelt. Die Prioritäten der Rückerstattung entsprechen denen des Reformprogramms der usbekischen Regierung.
Botschafter Konstantin Obolensky in Usbekistan, 24.04.2025
Gruppe von Männern und Frauen in medizinischer Kleidung bei der Besichtigung der Entbindungsstation.
Die Modernisierungen und Schulungen haben die Möglichkeiten der Entbindungsstation, Komplikationen zu behandeln und sichere Geburten zu gewährleisten, verbessert. Almalyk, © UNO

Heute haben Sie in Almalyk eine Entbindungsstation eröffnet, die im Rahmen des Projekts zur Senkung der Mütter- und Säuglingssterblichkeit renoviert wurde. Welche konkreten Ergebnisse wurden dank dieses Projekts in dieser Entbindungsstation erzielt?

Wir besuchten das «Almalyk Interdistrict Perinatal Centre», ein Überweisungszentrum für komplizierte Fälle von Müttern mit Neugeborenen. Vor Beginn des Projekts des «Uzbekistan Vision 2030 Fund» hatte es wie die meisten anderen Zentren im Land mit veralteter und unzureichender Ausstattung und Personalmangel zu kämpfen. Im Rahmen des Projekts wurde die Einrichtung renoviert und mit wichtigen Geräten für die Neonatologie und Geburtshilfe ausgestattet, darunter Inkubatoren (lebenswichtig für Frühgeborene), Fetalmonitore, Wiederbelebungssets für Neugeborene, Entbindungsbetten sowie Phototherapie- und Sterilisationsgeräte. Darüber hinaus wurden 86 Gesundheitsfachkräfte in wichtigen Bereichen wie Mütter- und Neugeborenenversorgung, Notfallmassnahmen, Schwangerschaftsvorsorge, Familienplanung und Infektionsprävention geschult, wodurch die Risiken für Mütter und Babys gesenkt werden konnten.

Diese Modernisierungen und Schulungen haben die Möglichkeiten des Zentrums, Komplikationen zu behandeln und sicherere Geburten zu gewährleisten, erheblich verbessert (für das gesamte Land: Das Projekt hat die Überlebensrate von Frühgeborenen mit einem Gewicht von 500 bis 1500 Gramm von 70 % auf 75 % erhöht).

Rückerstattung von eingezogenen Vermögenswerten an Usbekistan

Die Schweiz und Usbekistan haben am 16.08.2022 ein Abkommen zur Rückerstattung von unrechtmässig erworbenen Vermögenswerten unterzeichnet. Das Rückerstattungsabkommen deckt nicht nur die im Rahmen von Strafverfahren in der Schweiz im Zusammenhang mit Gulnara Karimova bereits definitiv eingezogenen Vermögenswerte ab, sondern auch die künftigen Gelder, die im Rahmen der noch laufenden Strafverfahren im Zusammenhang mit dieser Person definitiv eingezogen werden könnten.

Gulnara Karimova ist die Tochter des verstorbenen ehemaligen Präsidenten der Republik Usbekistan, Islam Karimov. Der Tochter wird unter anderem vorgeworfen, Korruptionsgelder für die Vergabe von lukrativen Telekommunikationsverträgen kassiert zu haben.

Die Verhandlungen zum Abkommen wurden von der Direktion für Völkerrecht (DV) geführt. Die DV und die DEZA beraten die Schweizerische Botschaft in Taschkent beim Einsitz im Verwaltungsausschuss der Fonds.

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